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Schaut häufiger hinterher als nach hinten. Der Franzose Thomas Voecker. Foto: AFP

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Sport: Hinten dran

Die Radsportnation Frankreich leidet, weil ihre Profis bei der Tour wieder keine große Rolle spielen.

Gap - Frankreich feiert die Tour de France. Alte Helden wie Bernard Thevenet werden im Startvillage aufs Podium gezerrt, auch Brüder und Töchter von alten Legenden wie Louison Bobet. Die drei Dekaden danach waren weniger ruhmreich für die Gastgeber. Erinnern kann sich von den aktuellen Fahrern der Tour kaum einer an den jüngsten großen Triumph eines Franzosen. Als Bernard Hinault 1985 zum bisher letzten Mal für das Hissen der Trikolore auf den Champs Élysées verantwortlich war, war Thomas Voeckler, prominentester Franzose im Feld, sechs Jahre alt. Bis jetzt haben die Gastgeber keinen einzigen Tagessieg zu bejubeln gehabt. Am Mittwoch auf der 16. Etappe von Vaison-la-Romaine nach Gap siegte der Portugiese Rui Costa – im Alleingang und 40 Sekunden vor den Franzosen Christophe Riblon und Arnold Jeannesson. Wieder nichts für Frankreich. So etwas schmerzt. Erst recht bei der Jubiläumstour.

„Wie man richtig ausreißt“ – so überschrieb die L’Equipe zum französischen Nationalfeiertag einen Artikel. Die Journalisten des Hausblattes der Tour wollten sich damit wohl den eigenen Frust von der Seele herunterschreiben. Tag für Tag hatten sie vergebliche Ausreißversuche ihrer Landsleute kommentieren müssen.

„Der Parcours dieser Tour ist einfach nicht für die französischen Rennfahrer gemacht“, sagt Thierry Bricaud, Sportlicher Leiter des Teams FDJeux. „Wir haben viele Etappenjäger für die mittelschweren Tagesabschnitte. Es gibt aber vor allem Etappen für klassische Sprinter wie Marcel Kittel und Mark Cavendish oder reine Bergetappen.“ Hat die Radsportnation Frankreich überhaupt keine Sprinter und Kletterer mehr? Bricaud ist zumindest für die Zukunft optimistisch. „Nacer Bouhanni, der ein richtig guter Sprinter ist, musste wegen Krankheit abreisen. Und unseren U23-Weltmeister Arnaud Démare haben wir nicht zur Tour mitgenommen, weil er noch zu jung ist. Aber da wächst eine gute Garde heran.“

Bei den Kletterern der jüngsten Jahre spielen individuelle Probleme bei den Franzosen hinein. „Thomas Voeckler hat wegen seiner Verletzungen im Winter noch Trainingsrückstände“, heißt es beim Team Europcar. Und Teamkollege Pierre Rolland, in der ersten Hälfte der laufenden Tour immerhin Bergkönig, führt an: „Hätte bei der zweiten Pyrenäenetappe Movistar nicht das Tempo verschärft, um Skys Richie Porte aus dem Klassement zu fahren, dann wäre die Spitzengruppe wohl angekommen.“ Pierre Rolland war Teil dieser Spitzengruppe.

Eine andere Erklärung verweist auf die Statistik. „Der Radsport hat sich internationalisiert. Es sind gar nicht mehr so viel Franzosen wie früher am Start“, sagt Bricaud, obwohl immerhin 42 von 198 gestarteten Fahrern aus Frankreich kommen. Jeder allerdings verfolgt im Rennen eigenen Interessen – und das durchaus zum Nachteil für die Landsleute.

Als zum Nationalfeiertag eine zehnköpfige Spitzengruppe mit fünf Franzosen wegfuhr, jagte ausgerechnet Europcar wie aufgedreht hinterher. Das Team von Voeckler hatte keinen Mann vorn. Auch dank Europcars Tempoarbeit kam das Feld eine Stunde vor der avisierten Zeit an den Fuß des Berges – und Christopher Froome war es ein Leichtes, an dem letzten der Ausreißer, dem früheren französischen Meister Sylvain Chavanel, vorbeizuziehen.

Die beste Nachricht für die Franzosen ist bislang, dass am Dienstag mit Europcar und AG2r zwei Sponsoren die Fortsetzung ihres Engagements für zwei und drei Jahre verkündet haben. Französische Radprofis haben selbst mit null Etappensiegen bei der Tour weiterhin eine Plattform, während deutsche Radprofis trotz ihrer fünf Siege auf ausländische Arbeitgeber angewiesen sind.Tom Mustroph

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