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Geht doch. Schweizer Fans proben Stimmung nach dem Sieg.

© dpa

Hitzfeld der Held: Die Schweiz feiert Sankt Ottmar

Die Schweiz kann tatsächlich auch feiern – sie tut es genau eine Nacht lang nach dem überraschenden Sieg bei der WM gegen Europameister Spanien.

Die Welt kennt die Schweizer als ruhiges Alpenvolk. Für wilde Begeisterungsstürme sind andere Nationen zuständig. Glaubt die Welt. Die Welt wäre am Mittwochnachmittag mal lieber zu Gast bei Freunden in der Schweiz gewesen. Langsam und ruhig war nach dem 1:0 gegen Europameister Spanien gar nichts mehr.

„Sankt Ottmar! Schenkt ihm einen Schweizer Pass!“, jubilierte das Boulevard-Blatt „Blick“. Die „Basler Zeitung“ titelte euphorisch: „Ein Tor für die Geschichte“, die TV-Kollegen vom „Schweizer Fernsehen“ lotsten gleich nach Spielende einen verdutzten WM-Reporter von „Al Jazeera“ vor die Kamera und ließen den sichtlich überraschten Journalisten eine Lobeshymne auf die Schweizer Nationalmannschaft verkünden. In Zürich stand der Verkehr nach Spielende komplett still, Bern wurde von einer Welle aus Bierfontänen durchspült. Selbst der strömende Regen konnte die Siegesfeiern nicht aufhalten.

Ein Schweizer Nationalheld von einst, Ciriaco Sforza, trainiert inzwischen die Grasshoppers aus Zürich. Viel Zeit zum Jubeln hatte der ehemalige Bayern-Spieler nicht – seine Mannschaft steckt mitten in der Saisonvorbereitung. „Ich habe mich gefreut, natürlich. Aber ein Fass machen wir hier nicht auf“, sagt Sforza nüchtern. Allerdings hofft er auf weitreichende Folgen des historischen Erfolgs: „Dieses 1:0 kann Auswirkungen auf den Schweizer Fußball haben. Der Nachwuchs hat gesehen, was alles möglich ist auf der großen Bühne der Weltmeisterschaft.“

Einzig Gian-Andri Casutt, der Herausgeber des schweizerischen Fußballmagazins „Zwölf“, ließ es sich nicht nehmen, das nationale Klischee vom langsamen Alpenvolk zu bestätigen. Er verpasste das Spiel und aß stattdessen mit Geschäftsleuten in Bern zu Abend. Etwas kleinlaut gab der Journalist auf Nachfrage zu: „Vom Ergebnis habe ich erst hinterher erfahren.“ Gäste in dem Berner Innenstadthotel hatten sich bei der Rezeption über den Lärm auf den Straßen erkundigt. Am nächsten Morgen ist alles wie immer. Diese Ruhe, diese Gelassenheit. Wer hat’s erfunden?

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