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Sport: Hoffen auf die Wissenschaft - Baumann will unter Laborbedingungen weiter trainieren

Nur ein wissenschaftliches Wunder kann die Unschuld des unter Dopingverdachts geratenen Olympiasieger Dieter Baumann noch beweisen. Der Heidelberger Anti-Doping-Experte Professor Werner Franke hat eine "kontrollierte klinische Studie" vorgeschlagen, um herausfinden, ob das verbotene Anabolikum Nandrolon im eigenen Körper produziert werden kann oder in Nahrungsmitteln vorkommt.

Nur ein wissenschaftliches Wunder kann die Unschuld des unter Dopingverdachts geratenen Olympiasieger Dieter Baumann noch beweisen. Der Heidelberger Anti-Doping-Experte Professor Werner Franke hat eine "kontrollierte klinische Studie" vorgeschlagen, um herausfinden, ob das verbotene Anabolikum Nandrolon im eigenen Körper produziert werden kann oder in Nahrungsmitteln vorkommt. Helmut Digel, der Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV), ist jedoch ebenso skeptisch wie Baumanns jahrelange Weggefährtin und Leverkusener Vereinskollegin Heike Henkel. "Den einzigen rein waschenden Beweis, den medizinischen, kann er, realistisch betrachtet, nicht führen", schrieb die Hochsprung-Olympiasiegerin von 1992 in einem Beitrag für die "Welt am Sonntag".

Baumann selbst gab sich bei seinem Auftritt im "Aktuellen Sportstudio" des ZDF kämpferisch. "Ich bin durch viele Wettkämpfe gegangen. Ich glaube, das wird mein schwerster und auch wichtigster", sagte der 34-jährige Schwabe. Gleichzeitig räumte er ein, mit der Situation überfordert zu sein. Auf die Frage, wer seinen Unschuldsbeteuerungen überhaupt noch glaubt, antwortete der Europameister von 1994 jedoch: "Ich denke viele." Seine einzige Hoffnung ruht jetzt auf der Tatsache, dass zuletzt auffallend viele Sportler mit Spuren des Anabolikums Nandrolon im Urin erwischt wurden und dass diese Substanz entgegen der bisherigen Annahmen doch endogen hergestellt werden kann. Schützenhilfe erhält er ausgerechnet vom bisherigen "Hardliner" Franke, für den auch auf Grund Baumanns zuletzt unterschiedlich verlaufenen Kontrollen "ein klares Nandrolon-Doping ausgeschlossen ist". Der Molekularbiologe behauptete, dass 1994 in drei französischen Labors entsprechende Nachweise geliefert worden seien, dass bei körperlicher Belastung der Nandrolon-Wert steigen kann. Bei Fußballern sei nach einem Spiel ein bis zu vierfacher Wert als normal gemessen worden. "Da muss eine Studie gemacht werden", forderte er.

Auch der Leiter des Kölner Anti-Doping-Labors, Prof. Wilhelm Schänzer, hat Dieter Baumann seine Unterstützung bei der Klärung der Ursache für die positiven Dopingproben zugesagt. "Wir haben immer hinter den Athleten gestanden, wenn wir vermuteten, dass die nicht absichtlich gedopt haben", sagte Schänzer in einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", stellte jedoch gleichzeitig klar: "Wir haben klare analytische Daten. Und dazu stehen wir. Man muss Baumann so behandeln, wie man alle anderen Fälle behandelt hat." Es gehe nicht darum, "einen Athleten mit Gewalt aus dem positiven Fall herauszuholen".

Franke verweist auch auf Fälle bei Frauen wie der Gewichtheberin Stephanie Utesch, wo ein Unterleibstumor für einen positiven Dopingbefund verantwortlich war. Zudem könne sich das Anabolikum in Molkereiprodukten anreichern. DLV-Präsident Digel würde sich freuen, wenn Wissenschaftler in diese Richtung forschen, macht sich jedoch keine großen Hoffnungen. "Die Experten, die ich befragt habe, sind anderer Meinung", sagte er. Für eine körpereigene Produktion seien die Werte bei Baumann zu hoch.

Bei einer entsprechenden Studie unabhängiger Experten, so Franke, müsste Baumann mehrere Wochen in Quarantäne. Der "Sportler des Jahres 1992" ist bereit, "unter Laborbedingungen weiter zu trainieren". Heike Henkel gibt zu bedenken, dass es auch unterstützende, vergleichende Untersuchungen anderer Athleten geben müsste.

Inzwischen gehen immer mehr Athleten auf Distanz zum einstigen "Vorläufer" des DLV. Zehnkämpfer Frank Busemann sprach von einer "sehr erdrückenden Beweislast". Für Heike Henkel, die ebenso wie Baumann 1992 in Barcelona auf dem obersten Treppchen stand und jahrelang zusammen mit ihm den Kampf gegen das Doping anführte, ist der deutsche Rekordhalter nur einer von vielen Angeklagten. "Er ist zwar prominenter als die meisten, und er war bislang glaubwürdiger als die meisten, aber rechtfertigt das eine exponierte Behandlung?", fragte die Hochspringerin.

Andererseits geht es ihr ebenso wie Kugelstoß-Olympiasiegerin Astrid Kubernuss. "Auch mir macht der Fall Baumann Angst. Ich fürchte meine nächste Dopingkontrolle", gestand Henkel. "Was ist, wenn auch ich plötzlich positiv bin? Wenn auch ich nicht nachweisen kann, dass ich unschuldig bin?"

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