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© dpa

Hoffnung nach dem Sieg: Herthas Mauerfall

Artur Wichniarek und Waleri Domowtschiski lassen Hertha aufatmen. Beim ersehnten Sieg in Heerenveen treffen beide - und beweisen, dass Hertha doch Stürmer hat, die des Tore Schießens mächtig sind.

Der moderne Fußball ist im Grunde nichts anderes als eine Aneinanderreihung von Einzelentscheidungen, und wer am Ende die meisten richtigen Entscheidungen getroffen hat, geht als Sieger vom Platz. Zwanzig Minuten waren im Europa-League-Spiel zwischen Heerenveen und Hertha BSC vorüber, als die Entschlossenheit der Berliner Fußballer auf die Probe gestellt wurde. Zwei Möglichkeiten standen ihnen offen: Laufen wir jetzt alle zu Waleri Domowtschiski, um ihn für sein Tor zu feiern? Oder jubeln wir lieber mit Artur Wichniarek, der den Ball zuvor erobert und dann so serviert hatte, dass Domowtschiski ihn nur noch ins Tor schieben musste? Die Berliner machten alles richtig. Sie stürzten geschlossen zu Wichniarek.

„Wir müssen auch als Mannschaft verstehen, dass nicht immer der, der das Tor schießt, der wichtigste Mann ist“, sagte Wichniarek. Aber im entscheidenden Moment danach wurden seine Kollegen nicht von ihrem Verstand geleitet; sie folgten einfach ihrer Intuition: Artur braucht das. Artur hat das verdient – weil er, quasi stellvertretend, die Prügel für uns alle eingesteckt hat. Der Pole hatte sich als Gesicht zu Herthas Krise geradezu angeboten. Doch wenn der 3:2-Sieg in Heerenveen tatsächlich die Wende gewesen sein sollte, dann vor allem dank Wichniarek. Die ersten beiden Tore von Domowtschiski hatte er vorbereitet, den Siegtreffer erzielte er selbst. „Die Situation war nicht einfach“, sagte Wichniarek über die letzten Wochen. „Niemand kann wissen, wie ich mich gefühlt habe.“

461 Minuten war Hertha ohne Tor geblieben

Die ganze Mannschaft hat einiges durchgemacht, und nach all den Schlägen mussten sich die Berliner in Heerenveen fast vom Glück überfordert fühlen: Ein Sieg! Der erste seit zehn Wochen!! Nach zweimaligem Rückstand!!! In letzter Minute!!!! „Leck mich am A…“, sagte Trainer Friedhelm Funkel nach dem Siegtreffer in der Nachspielzeit. 461 Spielminuten war Hertha ohne Tor geblieben, einen einzigen Treffer hatten die Stürmer in der ganzen Saison erzielt – gegen Heerenveen trafen sie gleich dreimal. „Viel besser geht es für die Stürmer nicht“, sagte Mittelfeldspieler Fabian Lustenberger. „Sie haben ihren Einsatz gerechtfertigt.“

Zum ersten Mal überhaupt bildeten Wichniarek und Domowtschiski gemeinsam den Angriff, zwei Zweifelnde, aber am Ende ergab Minus mal Minus Plus. Von Anfang an war ein ganz neuer Zug im Spiel nach vorne. Die Angreifer attackierten früh und provozierten Fehler, so wie vor dem 1:1, als Heerenveens Verteidiger Breuer durch Wichniareks entschlossene Intervention im entscheidenden Moment ins Straucheln geriet. Und Domowtschiski hätte allein in der zweiten Halbzeit noch zwei weitere Tore erzielen können. „Wir haben einfach gezeigt, dass es mit dem neuen Trainer in die richtige Richtung geht“, sagte Wichniarek, der nach dem Spiel seine Kritik an Lucien Favre wiederholte. Dessen Training sei zu sehr auf die konditionellen Grundlagen ausgelegt gewesen, Funkel hingegen achte mehr auf Schnelligkeit. „Das bringt uns einfach weiter.“

Für Funkel war es der erste Sieg

Was immer man von solchen Aussagen halten mag – der Erfolg von Heerenveen war auch ein Erfolg für Funkel. Ein Erfolg, den er nach fünf sieglosen Pflichtspielen seit seinem Amtsantritt ebenso dringend brauchte wie die Stürmer, die Mannschaft, der ganze Verein. „Für uns ist das eine Befreiung“, sagte Manager Michael Preetz. Noch am Tag vor dem Spiel hatte Funkel seine „unendliche Geduld“ mit den Angreifern hervorgehoben: „Du musst immer an dich glauben.“ Derartige Versuche der moralischen Unterstützung werden irgendwann nur noch als hohle Phrasen wahrgenommen. Aber nach dem Spiel konnte Funkel feststellen: „Unsere Geduld ist belohnt worden.“

Für das Duell mit dem 1. FC Köln besitzt Herthas Trainer bei der Besetzung der Offensive nun sogar erstmals so etwas wie eine Auswahl; dass er etwas ändert, ist allerdings nicht zu erwarten. Am Donnerstagabend wurde Funkel gefragt, ob er mit Wichniarek und Domowtschiski ein neues Traumpaar gefunden habe. „Sie hatten einen großen Anteil an diesem Sieg“, antwortete er, „aber mit dem Wort Traumpaar sollte man vorsichtig sein.“ Fürs Erste reicht es ja schon, dass der Alptraum vorbei ist.

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