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Sport: Hokuspokus um Hongkong

China will 2008 die Reiterspiele auslagern

Als die Teilnehmer Taiwans auf dem Olympiagelände erscheinen, ist der Eklat perfekt. Die chinesische Delegation verlässt unter Protest die Olympischen Spiele. Wieder ist das Sportfest zur Bühne politischer Wettkämpfe geworden. Fast ein halbes Jahrhundert ist seit dem Eklat von Melbourne vergangen, doch geändert hat sich seit den Spielen von 1956 nicht allzu viel.

Erneut ist China der Ausgangspunkt politischer Diskussionen innerhalb des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), dessen Führung derzeit in Berlin tagt. Die Funktionäre berieten am Dienstag über einen Antrag des Organisationskomitees der Spiele 2008 in Peking, die Reiterwettbewerbe nicht in der chinesischen Hauptstadt auszutragen, sondern nach Hongkong auszulagern. Die Antragsteller hatten mit strengen Quarantänebestimmungen zur Bekämpfung der Vogelgrippe argumentiert, die einen Wettbewerb unmöglich machten. Nicht wenige der in Berlin beim Kongress „Sportaccord“ versammelten Funktionäre vermuteten jedoch politisches Kalkül. Peking wolle mit Hilfe des Sports seine Ein- China-Politik untermauern und Autonomiebestrebungen in Hongkong – und indirekt auch in Taiwan – eindämmen, hieß es. Bis zum Abend beriet die Exekutive des IOC über die Verlagerung, eine Entscheidung stand bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch aus.

Ludger Beerbaum hält die Diskussion sowieso für „Hokuspokus“. Der Spitzenreiter, der 2008 noch einmal die Goldmedaille erringen will, wehrt sich mit seinen Kollegen gegen Pekings Plan. „Wir wollen zu den Olympischen Spielen gehören und keine eigenen Reiterspiele austragen“, sagt der Deutsche. „Sonst können wir ja gleich in Aachen reiten.“ Der Internationale Reiterverband hat sich der Meinung der Athleten angeschlossen.

Das IOC tat sich mit einer Entscheidung für Hongkong schwer. Denn die chinesische Führung argumentiert weniger mit der Reitsport-Tradition der früheren britischen Kolonie, die 1997 an China zurückgegeben worden war, sondern bringt vor allem ihre Sorge um die Gesundheit der Pferde vor. „Seit wann ist wissenschaftlich erwiesen, dass sich die Vogelgrippe nicht auf Pferde überträgt?“, erregte sich Beerbaum. Und Spitzenfunktionäre, die nicht genannt werden wollen, stellten die Frage: Wäre das Problem wirklich in Hongkong besser zu lösen als in Peking? Schließlich herrschen dort im Sommer nicht selten Temperaturen von 50 Grad, Pferde könnten allein wegen des Klimas anfälliger für Krankheiten sein als anderswo. Andererseits gibt es dort eine der besten Pferdekliniken der Welt.

China wollte trotz der Kritik nicht von seinem Vorschlag abrücken. Deshalb diskutierten immer mehr Sportfunktionäre in Berlin über Kompromisse. So sei denkbar, die Reiterwettbewerbe aus Peking zu verbannen, sie aber nicht nach Hongkong zu vergeben, sondern in eine andere Stadt der Welt. Dabei könnte hilfreich sein, dass Hongkong ein eigenes Nationales Olympisches Komitee hat.

Ausgerechnet bei den Spielen 1956 in Melbourne ist dieser Fall schon einmal eingetreten. Dort waren die Reiterwettbewerbe sogar auf einen anderen Kontinent verlagert worden: nach Stockholm. Argument waren ebenfalls Quarantänebestimmungen – und die lange Anreise, die man den vorwiegend europäischen Pferden nicht zumuten sollte. Die Tiere wurden schließlich mit der Fähre nach Skandinavien gebracht.

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