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© AFP

Holland: Der neue Bergkamp heißt van Persie

Robin van Persie galt als arrogant, verwöhnt, trainingsfaul. Dann sprach der holländische Star Dennis Bergkamp mit ihm - sein Vorbild. Danach hat sich der 24 Jahre alte Stürmer geändert. Jetzt ist er einer der großen Hoffnungsträger seines Landes für diese EM.

Den griechischen Mathematiker Archimedes ereilte vor 2000 Jahren in der Badewanne die Erleuchtung; der niederländische Fußballer Robin van Persie dagegen erkannte vor drei Jahren in einem Nordlondoner Jacuzzi die Wahrheit. Sie hörte auf den Namen Dennis Bergkamp. „Ich konnte aus dem Fenster sehen, wie er nach dem Mannschaftstraining vom FC Arsenal noch alleine weiter übte“, erinnert sich van Persie. „45 Minuten lang hat er keinen einzigen Fehler gemacht, obwohl niemand zusah. Er wollte es perfekt machen, nur für sich selbst. Ich wusste, so will ich auch sein.“ Dieser Eingebung hat der 24-Jährige zu verdanken, dass er bei der EM vor dem Viertelfinale gegen Russland schon zwei Tore geschossen hat – ja, dass er überhaupt dabei ist.

Van Persie, der Sohn eines Rotterdamer Künstlerpaars, war 2004 als „neuer Bergkamp“ von Feyenoord zum FC Arsenal gewechselt. Johan Cruyff betrachtete ihn, noch vor Arjen Robben, als talentiertesten Spieler seiner Generation. Trotzdem kostete er nur vier Millionen Euro, denn van Persie galt als arrogant, verwöhnt, trainingsfaul. In einem Ligaspiel hatte er ungefragt einen Freistoß geschossen, den sich der Starstürmer Pierre van Hooijdonk zurecht gelegt hatte. Sein damaliger Trainer Bert van Marwijk versuchte immer wieder erfolglos, den Jungen zu disziplinieren. Schon in der Schule war er oft aus den Klassenzimmern geflogen und hatte so viel Zeit auf den Gängen verbracht, dass er zum besten Kumpel des 30 Jahre älteren Hausmeisters geworden war.

Als er in England im Oktober 2005 nach zwei dummen Fouls in Southampton vom Platz flog und Arsenal dadurch verlor, verbannte ihn Arsène Wenger auf die Bank. Anders als der schroffe van Marwijk versuchte es der Arsenal-Trainer mit subtiler Pädagogik. „Er wurde nicht laut“, sagte van Persie, „er stellte mir nur eine Frage: Was musst du tun, um ganz nach oben zu kommen?“ Van Persie verstand. Von Bergkamp, dem wortkargen, zutiefst seriösen Fußballcalvinisten, lernte er, ein professionelles Leben zu führen. Diamantenklunker und Platinketten verschwanden im Safe. Dafür begann er, „wie ein Extremist“ an sich selbst zu arbeiten. Er ließ sich ein Dossier von Wengers Computerspezialisten zusammenstellen und wertete seine Laufwege aus. Mit Spezialisten in Rotterdam trainiert er an freien Tagen Schnelligkeit und Ausdauer. Sein Oberkörper wurde mit den Jahren immer breiter, doch seine Fähigkeiten am Ball, die er auf den Straßen von Kralingen, dem Rotterdamer Einwandererviertel, gelernt hatte, litten nicht darunter. Die anderen Kinder nannten ihn damals „den Holländer“ – er war das einzige weiße Gesicht unter Marokkanern und Jungs aus Surinam. Schon mit 20 heiratete er seine Freundin Bouchra. Ihre marokkanische Familie erlaubte keine außerehelichen Beziehungen.

Zwei Wochen Untersuchungshaft nach einer Anzeige wegen Vergewaltigung – die Untersuchungen wurden eingestellt – haben ihm vor zwei Jahren die letzten Sperenzchen ausgetrieben. Neben dem Fußball hat er jetzt nur noch für ein harmloses Hobby Zeit: Mit Hollands Trainer Marco van Basten liefert er sich im Mannschaftshotel packende Tischtennis-Duelle.

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