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Heiß aufs Eis. Der kanadische Trainer Gordon Herbert ist Eishockey-Fan und lud zum Mannschaftsabend bei den Eisbären. Foto: City-Press

© City-Press GbR

Sport: Holzfäller statt Hobbygärtner

Gordon Herbert besucht mit Albas Basketballern die Eisbären – um Siegesmentalität zu entwickeln

Berlin - Fast wäre sie herabgestürzt. Die schwarze Zipfelmütze, ohnehin nur lose auf den Kopf gestülpt, wippt, aber fällt nicht, als Kyle Weaver beim ersten Knall des Feuerwerks zusammenzuckt. Lucca Staiger neben ihm reißt reflexartig die Arme über den Kopf. Nach dem ersten Schreck lachen die beiden herzlich über einander. Derlei Knalleffekte sind die beiden Basketballer in der Arena am Ostbahnhof nicht gewöhnt, obwohl sie hier ihre Heimspiele austragen. Doch heute sind sie nur zu Gast: als Zuschauer bei den Eisbären – und die mögen es vor ihren Eishockey-Spielen laut. „Es ist anders, aber geil“, ruft Staiger in den Lärm.

Ein Kulturschock am Dienstagabend für das Team von Alba Berlin, das zum ersten Mal geschlossen ein Spiel der stadtinternen Konkurrenz verfolgt. Bisher waren die Spieler nur vor einem Jahr bei einem Konzert von Rihanna Gast in der eigenen Halle. Die Eishockey-Idee stammt von Gordon Herbert, der gerne mit Ausflügen Teambuilding betreibt, und, das muss man wissen, Kanadier ist.

Der Trainer ist der einzige, dessen Hals sich das ganze Spiel über Richtung Puck reckt. Seine Spieler hingegen lassen sich, die einen in Trainings-, die anderen in Lederjacke, gemütlich in die Logenplätze fallen und richten ihre Videohandys auf das Eis. Nur die Klatschpappen reichen sie ratlos weiter, dabei sind die nervtötenden Krachmacher eines der wenigen Dinge, die es auch bei ihren Heimspielen gibt. Ansonsten fremdeln die Basketballer noch. Erst kurz vor Spielbeginn haben sie die Loge in der eigenen Halle gefunden.

„Einige Jungs haben mich vorher gefragt, wie viele Spieler denn beim Eishockey auf dem Platz stehen“, sagt Herbert in einem ruhigen Moment und deutet an, dass seine Spieler nicht wirklich in der Materie stecken. Für den 52-Jährigen gilt das nicht. Er hat im Verein Gummischeiben mit Holzschlägern gedroschen, bis er 14 Jahre alt war und zum Basketball wechselte. Eishockey nennt der Westkanadier „meine Obsession“, fast zwanghaft erkundigt er sich nach Ergebnissen der Vancouver Canucks. Manchmal wache er nachts auf und schalte ein Eishockey-Spiel ein. „Dabei kann ich mich entspannen, Basketball schaue ich zu analytisch.“

Der Mannschaftsabend hat auch einen ernsten Hintergrund für ihn. Es sei gut, wenn die Spieler sich auch privat verstehen. In Frankfurt am Main, wo er vorher coachte, nahm er das Team mit zu den Eishockey-Matches der Lions und den Fußball-Spielen der Eintracht. Doch steckt bei Herbert mehr hinter dem Eishockey-Faible, auch wenn er es selten durchblicken lässt. Als seine Mannschaft schlecht in die Saison startete, forderte er von seinem Spielern Härte wie bei kanadischen Eishockey-Spielern. Zur Not sollten sie sich Bärte stehen lassen und Bier trinken, scherzte er. Vor zwei Wochen zeigte er dem Team den Eishockey-Film „Miracle“. Der Besuch bei den Eisbären sei „der nächste Schritt“, sagt Herbert.

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass Alba vor dem Heimspiel gegen Oldenburg am Sonntag Anschauung am Eis nimmt. Denn während die Eisbären in den letzten Jahren stets die Nerven behielten, wenn es darauf ankam, und fünfmal Meister wurden, schwächelte Alba oft in den entscheidenden Phasen. Das will der neue Coach ändern. Für mehr Stabilität und Unverwüstlichkeit will Herbert den Spielern einen Mentalitätswechsel verschreiben: mehr Holzfäller denn Hobbygärtner.

Die Sportarten seien zwar schwer zu vergleichen, aber „beim Eishockey haben die Spieler oft nur Einsätze von einer Minute, aber geben immer 100 Prozent“, schwärmt Herbert. Er unterbricht und nickt Richtung Marko Simonovic, ob er auch ein Bier wolle. Doch der höfliche Serbe schüttelt schmallippig den Kopf, er schaut lieber zu. Erst nach und nach greifen einige Spieler zum Kühlschrank. Vielleicht müssen da die bärtigen Kerle von den Eisbären, die wohl erst im Dezember die Einladung zum Gegenbesuch wahrnehmen können, noch Nachhilfe geben.

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