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Homosexualität im Fußball:: Schwulsein als Karriere-Killer

Beschimpft, unverstanden, getarnt: Die Situation von Schwulen im Männersport Fußball gleicht noch immer einem brisanten Versteckspiel.

Homosexualität und Homophobie, die krankhafte Abneigung gegen Schwule, sind in der Kicker-Szene traditionell Tabuthemen. Das Schweigen bröckelt nur ganz langsam. "Wichtig ist es, die Leute dafür zu sensibilisieren. Damit wäre schon viel gewonnen", sagt Christian Deker, Sprecher des ersten homosexuellen Fanclubs beim deutschen Meister VfB Stuttgart.

Aus dem Wunsch, das eigene Anderssein in der Fankurve nicht mehr verstecken zu müssen, entstanden die Stuttgarter Junxx. "Wir wollten zeigen, dass es im Stadion auch schwule und lesbische Anhänger gibt, denn viele glauben das nicht", erklärt der 25 Jahre alte Deker. Noch herrscht sowohl in den großen Arenen als auch auf kleineren Plätzen häufig eine schwulenfeindliche Atmosphäre. Schmährufe wie "schwule Sau" oder Sprechchöre wie "schwuler, schwuler BVB" sind alltäglich.

Intoleranz auf den Rängen

"Da gibt es Verrückte, die kein Verständnis zeigen", sagt der Geschäftsführer von Bayer Leverkusen, Wolfgang Holzhäuser, über die Intoleranz auf den Tribünen. Bei den Aktiven sieht der erfahrene Funktionär Anzeichen für ein Umdenken. "Die heutigen Führungsfiguren und Spieler sind aus einer neuen Generation. Da wird das Thema ganz anders diskutiert."

Doch noch hat sich hierzulande kein einziger aktiver Profi öffentlich geoutet. In England hatte Justin Fashanu diesen Schritt bereits 1990 gewagt. Acht Jahre später erhängte er sich. Zu stark hatte er unter der folgenden psychischen Belastung gelitten.

Ängste und Alibi-Frauen

"Besser wäre es, wenn sich ehemalige Bundesligaspieler oder ehemalige Trainer outen würden, weil die nicht mehr auf dem Platz stehen", sagte zuletzt der frühere Zweitliga-Spieler Marcus Urban der "Welt am Sonntag". "Das würde es für aktuelle Spieler leichter machen, sich zu bekennen." Der 36-Jährige hatte seine Karriere bei Rot-Weiß Erfurt zu Beginn der 1990er Jahre wegen seiner Homosexualität beendet. Heute lebt er offen als Schwuler. In dem Interview ging er nun erstmals in die Offensive und sprach über die Angst der schwulen Fußballer, Selbstbeherrschung und Alibi-Frauen. "Man darf ja mit keiner Geste oder Äußerung seine Neigung erkennbar machen, denn das gefährdet die Karriere, für die ein Spieler sein Leben lang gearbeitet hat."

Kürzlich hatte ein Netzwerk von Aktivisten alle Verbände und Profivereine zum ersten Aktionsabend gegen Homophobie eingeladen. "Toleranz für die Andersartigkeit muss das Ziel sein. Der Abend darf nur ein erster Schritt für eine breitere Basis sein", sagt Ingo Schiller, Geschäftsführer beim Gastgeber Hertha BSC Berlin. Aus der Bundesliga war sonst jedoch nur Werder Bremen vertreten.

DFB sensibilisiert

"Ich könnte mir vorstellen, dass die Clubs nicht wissen, wie sie mit dem Problem umgehen sollen", sagt Deker über die dürftige Resonanz. Neben Berlin und Bremen unterschrieben aus den Profiligen inzwischen der Hamburger SV, Energie Cottbus und Carl Zeiss Jena eine Erklärung, mit der sie versprechen, sich aktiv gegen jede Form der Diskriminierung einzusetzen. Dazu verpflichtet haben sich auch der Deutsche Fußball-Bund (DFB), die Deutsche Fußball Liga (DFL) sowie einige Landesverbände, unterklassige Vereine und Fan-Clubs.

Beim DFB ist man sich der weiten Verbreitung der Problematik bewusst. "Natürlich haben die Bundesliga-Vereine eine Vorbildrolle. Es wäre schön, wenn sich da noch mehr engagieren", sagt der DFB-Sicherheitsbeauftragte Helmut Spahn, gibt aber zu bedenken: "Entscheidend ist es, nicht nur auf die Bundesliga oder 2. Bundesliga zu schauen. Das spiegelt nicht die gesamte Fußball-Realität in Deutschland wider."

Vorerst sind die Aussichten für homosexuelle Kicker düster. "Langfristig wünscht sich jeder, dass sich ein Spieler outet, aber ich würde es im Moment niemandem empfehlen", sagt selbst der schwule Fan Deker. "Das würde sein Karriereende sein."

Kristina Puck[dpa]

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