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Kein Zuspruch mehr. Noch-Vorstandschef Bernd Hoffmann hat einen Feind zu viel im Aufsichtsrat des Hamburger SV. Foto: dpa

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HSV: Hamburger Sport-Wahnsinn

Nach der Entmachtung von Vorstandschef Bernd Hoffmann taumelt der Verein führungslos durch die Liga. Vorstand, Trainer, Profiverträge - alles ist unsicher.

Die Entscheidung ist gefallen. Doch die Vorstellung des Aufsichtsratsvorsitzenden Otto Rieckhoff, nun werde Ruhe einkehren, ist ziemlich naiv. Eher das Gegenteil ist der Fall: Der Hamburger SV befindet sich mitten in einer tiefen Führungskrise. Der Vorstand vor dem Aus, der neue Sportchef erst im Sommer verfügbar und ein Trainer, der ziemlich sicher gehen wird – nicht nur Torwart Frank Rost bezeichnete es als „Wahnsinn“, was derzeit beim HSV passiert.

Eigentlich sollten Vereinschef Bernd Hoffmann und seine Vize Katja Kraus vorzeitig bis mindestens Ende 2012 verlängert werden – als Übergangslösung, bis ein neuer Vorstandschef gefunden ist. Hoffmann und Kraus wären mit dieser Konstellation einverstanden gewesen. Doch der Vorschlag der ihnen gesonnen Aufsichtsräte verpasste die nötige Mehrheit: eine Stimme fehlte. Weil fünf der zwölf Kontrolleure gegen das Duo stimmten, ging in der Nacht zu Montag eine zumindest wirtschaftlich erfolgreiche Ära zu Ende: Spätestens zum Ende des Jahres, wahrscheinlich aber früher, endet die Tätigkeit für Hoffmann/Kraus beim HSV. Der Hauptvorwurf: zu viele Alleingänge, zu wenig Kommunikation im Verein. Und letztlich eben auch eine Mannschaft, die wie beim 2:4 gegen Mainz am Sonntag zu oft einfach alt aussieht.

Seit Wochen hatte das höchste Vereinsgremium über die Zukunft von Hoffmann und Kraus diskutiert, intern und gern auch öffentlich. Ein Headhunter machte sich im Auftrag der Räte alternativ auf die Suche nach einem neuen Chef. Doch die Suche gestaltete sich schwierig, und Hoffmann durfte sich Hoffnungen machen – zumal vor zwei Wochen mit dem Dänen Frank Arnesen sein Wunschkandidat als neuer Sportchef vorgestellt wurde. Doch am Ende waren die Vorbehalte im mächtigen Kontrollgremium zu stark. Vier der fünf Räte, die gegen die Vertragsverlängerung stimmten, sind der großen Fan-Vereinigung „Supporters Club“ zuzuordnen. Letztlich ist Hoffmann also auch an der basisdemokratischen Ausrichtung des HSV gescheitert. In keinem anderen Bundesliga-Klub haben die Fans mehr Einfluss. Wie es jetzt weitergeht, ist kaum abzusehen. Für den Moment zeichnet sich vor allem ein Machtvakuum ab, denn auch der Aufsichtsrat ist in zwei Lager gespalten.

Noch geht man davon aus, dass Hoffmann und Kraus „ihre Arbeit weiterführen“, wie Rieckhoff am Montag sagte. Dass die beiden die Geschäfte „normal“ beenden, erscheint aber realitätsfern. Der clevere Machtmensch Hoffmann wird kaum bis zur Amtsübergabe auf seinem Stuhl sitzen bleiben und dem Neuen dann quasi die Schlüssel übergeben.

Sicher war es stillos von Seiten der Räte, Hoffmann und Kraus so lange im Unklaren zu lassen. Hinzu kommen handwerkliche Fehler: Schon bei der Sportchefsuche schufen die Kontrolleure mit Matthias Sammer personelle Fakten, ehe die Suche nach verfügbaren Alternativen abgeschlossen war. So auch dieses Mal – zwar sollen die Räte mit dem Frankfurter Vereinschef Heribert Bruchhagen, dem Sportvermarkter Joachim Hilke und dem norwegischen Schuh-Manager Björn Gulden gesprochen haben. Doch Zusagen gibt es bislang keine. Favorit Gulden wäre erst 2012 verfügbar; er soll nach Wunsch des Aufsichtsrates zusammen mit Hilke die Nachfolge von Hoffmann und Kraus antreten.

Unsicher werden auch die Vertragsverhandlungen mit etlichen Spielern. Der große Schnitt ist angekündigt, aber wer soll im Sommer Gesprächspartner für die Profis sein? Hoffmann ist fast weg, Arnesen kommt erst im Juli, der aktuelle Sportchef Bastian Reinhardt ist schon entmachtet – und niemand geht noch davon aus, dass Trainer Armin Veh über das Saisonende hinaus bleibt. Zum Nachfolge-Favoriten Ralf Rangnick gesellte sich am Sonntag übrigens Stale Solbakken. Der Norweger ist durch seine Erfolge mit dem FC Kopenhagen interessant geworden.

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