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Sicherer Rückhalt: René Adler ist ein Grund für die gute Tabellenplatzierung des HSV.

© dapd

HSV-Torwart René Adler: Gut wie nie

Über das Tor zur Welt zurück ins Nationaltor: René Adler will wieder Deutschlands Nummer 1 werden. Am Samstag trifft der HSV-Keeper auf Bayern München und seinen ärgsten Konkurrenten, Nationaltorwart Manuel Neuer.

René Adler nimmt Platz. Keine neonfarbenen Sneakers, sondern knöchelhohe Wildlederschuhe in hellbraun. Keine zerrissene Hose, sondern eine schlichte Jeans. Kein T-Shirt mit Totenköpfen oder nackten Frauen, sondern ein rotes Holzfällerhemd. Keine Tätowierungen. Der Torwart des Hamburger SV sieht eher aus wie ein freundlicher Grundschullehrer, erst recht, wenn er seine großrahmige schwarze Brille aufsetzt. Sein Understatement in Sachen Kleidung ist auch eine bewusste Abgrenzung von den Moden vieler Kollegen. Das Schrille, Bunte, Laute ist nicht so die Sache des René Adler – sein Outfit signalisiert: Ich bin ganz normal. Als Extravaganz leistet sich Adler einen Porsche Oldtimer. Darüber hinaus scheint es dem 27 Jahre alten Torwart zu genügen, auf dem Spielfeld durch außergewöhnliche Taten aufzufallen: In wenigstens vier der neun Hamburger Saisonspiele war es im Grunde allein ihm zu verdanken, dass der HSV nicht verlor.

Vor dem Spiel gegen Tabellenführer Bayern München am heutigen Samstag sagt Adler: „Ich fühle mich so fit und austrainiert wie noch nie. Es gab nie einen besseren Adler.“ Als vergleichende Werbung mit dem Kontrahenten vom Wochenende will er das nicht verstanden wissen. Mehr, als ihn das Duell mit Nationaltorwart Manuel Neuer zu interessieren scheint, ärgerte Adler, dass Hamburgs bester Stürmer Heung-Min Son sorglos behauptete, gegen die Bayern habe der HSV nichts zu verlieren. „Natürlich haben wir etwas zu verlieren“, sagt er, „wir sind der HSV, wir sind Siebter, wir haben eine gute Phase. Wir wollen gewinnen.“ Mit Adler hat ein neuer Ehrgeiz Einzug gehalten in Hamburg. Vom ersten Trainingstag an ist er zum Führungsspieler geworden. Zusammen mit Kapitän Heiko Westermann und Rafael van der Vaart hat der HSV nun wieder drei Profis, die sich im Team Respekt und Gehör verschafft haben.

Im Gespräch gibt sich Adler aufmerksam, nachdenklich und offen – wenn er etwa erzählt, dass er an Abenden vor dem Spiel handschriftlich in ein Büchlein notiert, worauf zu achten ist: Wie muss er seine Verteidiger stellen? Wer reagiert am besten auf welche Ansprache? Wo ist sein optimaler Platz im Tor? Solche Dinge. Das gebe ihm Sicherheit. „Wir beschäftigen uns noch zu wenig mit unserem Spiel. Was die mentale Vorbereitung jedes Einzelnen angeht, kann man noch viel mehr herausholen.“ Gespräche mit dem befreundeten Golfprofi Martin Kaymer haben ihn davon überzeugt, auch die Lektüre von Rafael Nadals Biografie hat ihn auf diese Fährte gebracht. „Hockey, Handball, Basketball – fast überall wird mehr über Spielzüge nachgedacht als im Fußball“, sagt er.

Ein bisschen mag die Nachdenklichkeit und Andersartigkeit Pose sein. Gern erzählt Adler, dass er sich für moderne Kunst interessiere und 2013 beginnt, BWL zu studieren – und zwar an einer richtigen Universität, nicht per Fernstudium. Womöglich ist das die Absicherung eines Profis, der erfahren hat, wie schnell alles zu Ende sein kann. Für die WM 2010 war er als Nummer eins vorgesehen, fiel dann aber mit einem Rippenbruch aus. Dass Manuel Neuer seine Stelle ganz selbstverständlich ausfüllte, hat Adler so geschmerzt wie die Tatsache, dass erst in Leverkusen Bernd Leno, und dann in der Nationalmannschaft Ron-Robert Zieler und Marc-André ter Stegen vorbeizogen. „Ich wurde nicht mehr gebraucht“, sagt er. „Das war hart.“

Vom Stammspieler der Nationalelf zum Bankdrücker bei Bayer in nur zwei Jahren – dieser tiefe Fall scheint durch den Wechsel zum HSV gebremst. Mehr noch: Nicht nur für den ehemaligen Nationaltorwart Oliver Kahn ist René Adler längst wieder ein DFB-Kandidat. Das findet sogar Neuers Vereinstrainer. „Er ist wieder in der Form, dass er zur Nationalmannschaft eingeladen werden muss“, sagt Jupp Heynckes über seinen ehemaligen Schützling.

Adler muss sich bremsen, damit es nicht zu sehnsuchtsvoll klingt, wenn er von seiner erhofften Rückkehr spricht: „Jeder weiß, wie gern ich für Deutschland gespielt habe. Aber ich will erst mal meine Ziele mit dem HSV erreichen.“ Dass die Nominierung für das kommende Länderspiel in den Niederlanden ein verfrühtes Weihnachtsgeschenk für Adler wäre, versteht sich von selbst.Franke Heike

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