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Fußball-Bundesliga: HSV: Tradition schießt keine Tore

Im Abstiegskampf des Hamburger SV geht es nicht nur um einen Verein, sondern auch um die Frage, wie viel Tradition der Fußball braucht. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Friedhard Teuffel

Die Zeit ist noch nicht abgelaufen, es gibt Verlängerung für den Hamburger SV. Das letzte Gründungsmitglied, das dauerhaft in der Fußball-Bundesliga mitspielt und das im Stadion mit einer Uhr dokumentiert, hat sich noch eine Frist erarbeitet. Auf dem Spiel steht hier mehr als der Umzug eines Sportvereins in eine tiefere Etage.

Der Hamburger SV hat vor allem die Frage aufgeworfen, wie viel Tradition es eigentlich in der populärsten Sportart des Landes braucht. Der Abstiegskampf in der Bundesliga ist ohnehin spannend wie selten zuvor, aber richtig spannend eben erst dadurch, dass es auch Traditionsklubs wie den VfB Stuttgart treffen konnte – und noch treffen kann, wie den HSV. Damit verbinden Fans Gesichter, Erfolge, Geschichten. Sie haben viel zu verlieren, kleine Klubs wie Paderborn konnten dagegen nur gewinnen.

Der Ton in den Krisengeschichten der vergangenen Wochen ähnelte dem der Insolvenzberichte über Hertie, Quelle oder Grundig. Hier bricht etwas weg, Gewohnheiten werden erschüttert. Fußball ist Gewohnheit schlechthin, zur gleichen Zeit am selben Ort denselben Klub anfeuern, zu dem einen der Vater schon als Kind mitgenommen hat.

Der HSV hat einiges dafür getan, um aus der Bundesliga ausgeschlossen zu werden

Mit den großen Unternehmen haben die Traditionsvereine gemein, dass Erfolge aus der Vergangenheit nicht vor Fehlern in der Gegenwart schützen. Manchmal kann die Titelsammlung sogar am klaren Denken hindern. Der HSV hat jedenfalls einiges dafür getan, um aus der Bundesliga ausgeschlossen zu werden. Wie bei den großen Firmen, den Traditionsmarken, scheint das Bestehende zunächst nicht durch das Neue ausgeglichen werden zu können. Spürbar wird nur der Verlust. Die Aufregung um den Abstiegskampf der Hamburger und Stuttgarter war auch deshalb groß, weil das Neue so anders ist. Klubs ohne glorreiche Vergangenheit drängen nach oben. Der FC aus der Audi-Stadt Ingolstadt etwa. RB Leipzig, großgezogen mit der Dosenbrause des Milliardärs Dietrich Mateschitz, hat es in dieser Saison noch nicht geschafft, dürfte aber in der nächsten noch schwerer aufzuhalten sein. Das Urteil in vielen Fanblöcken lautet nun, dass Tradition durch Kommerz plattgemacht wird.

Darin steckt auch Trotz: Wir waren zuerst hier! Wie Leipzig krampfhaft versucht, als echter, regelgerechter Verein auszusehen, verdient in der Tat einen kritischen Blick. Aber warum sollen grundsätzlich nicht auch andere die Chance bekommen, eine Tradition zu begründen? Wenn überall das neue Gründerzeitalter gefordert wird, muss der Fußball keine Ausnahme machen. Darf es nicht in 50 Jahren Fans geben, die davon erzählen, wie ihre sie Eltern zum ersten Mal zum FC Ingolstadt mitgenommen haben? Sind Gazprom, Kik oder Wiesenhof als Sponsoren besser als Red Bull? Investiert VW beim FC Bayern in einer anderen Währung als beim FC Ingolstadt? Das Scheingefecht zwischen Tradition und Geld wird auf jeden Fall an Härte zunehmen.

Vom Geschäftsführer von Bayer Leverkusen stammt der marktkonforme Satz: „Es ist jedem freigestellt, wo er eine reiche Tante herbekommt.“ Das ist sicher nicht die Freiheit, die viele Fans meinen. Der HSV verfügt immerhin nicht nur über Tradition, sondern auch über einen reichen Onkel, Logistik-Milliardär Klaus-Michael Kühne. Für wirklich erstklassigen Fußball reicht es gerade trotzdem nicht.

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