zum Hauptinhalt
Ralf Ebli, Cheftrainer der Deutschen Triathlon-Union (DTU).

© promo

Kolumne: Ich - Ironman (24): Hunde in der Beautywoche

Unser Autor will Anfang Juli am deutschen Ironman in Frankfurt teilnehmen. Zweieinhalb Wochen vor dem Wettkampf beginnt für ihn das verordnete Faulsein – mit Rezept vom Cheftrainer.

Triathleten sind Hunde. Am besten lässt sich das in den letzten zwei, drei Wochen vor einem großen Wettkampf beobachten. Dann drücken sie ihre Nase von innen an die Fensterscheibe und schauen sehnsüchtig in die Ferne, wie Vierbeiner, denen das Gassigehen gestrichen wurde. Tapering nennt sich dieses Einsperren: gesund Essen, ein bisschen Dehnen, letzte Massagen, viel Schlafen, wenig Trainieren. Die geliebten Einheiten müssen gezielt reduziert werden, damit der Körper sich erholt. Auf den Wettkampftag genau soll er seinen Kraftzenit erreichen. Freunde, verzeiht mir, ich liebe diese Beautywochen schon jetzt. Wau, wau.

„Viele Athleten fühlen sich beim Tapering bescheiden, weil ihnen ihr Körper wie runtergeregelt vorkommt“, sagt dagegen Ralf Ebli, Cheftrainer der Deutschen Triathlon-Union (DTU). „Manche wissen auch einfach nicht, was sie plötzlich mit der vielen freien Zeit machen sollen.“ Ich muss kurz lachen. Da Ebli für 22 Kaderathleten und 20 Nachwuchstalente verantwortlich ist, spricht er natürlich vor allem von der Marke Berufssportler, Modell Trainingsmaschine. Wer aber glaubt, dass es dem Amateur leichter fällt, die Gräten stillzuhalten, der irrt. „Viele Triathleten wollen in den letzten Wochen noch mal alles testen“, erzählt der 48-Jährige.

Wer sich wie ich den zehn Wochentrainingsstunden eher von unten nähert und dem Ironman nun mit Gewissensschmerz final entgegenvegetiert, hält das Tapering womöglich für verschenkte Zeit. Eine fatale Annahme, warnt Ralf Ebli: „Je untrainierter ich bin, desto mehr muss ich tapern.“ Bis zuletzt zu trainieren und ermüdet in einen Wettkampf wie den Ironman zu gehen, ende in einer Katastrophe. Drei bis vier absolute Ruhetage pro Woche verlangten zwar Mut, aber nur so könne der Körper sich vollständig erholen.

Wie manches im Triathlon ist auch das perfekte Tapering eine Wissenschaft: „Es darf nicht nur Entlastung sein, sonst kommt man am Ende beim Wettkampf nicht mehr in den passenden Rennmodus“, sagt Ebli. Die wenigen verbleibenden Einheiten sollten insbesondere Koppeltraining aus Radfahren und Laufen sein. Allerdings müsse man diese Reize unbedingt dosieren, nur phasenweise solle man auf Wettkampftempo beschleunigen. Lange Einheiten wie 25 Kilometer Laufen oder vier bis fünf Stunden auf dem Rad seien absolut tabu.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Man kann es mit dem Kraftsammeln aber auch übertreiben – insbesondere bei der Ernährung. „Auf keinen Fall sollte man vor dem Ironman 14 Tage lang Pastaparty feiern“, warnt Ebli. Jedes Gramm Kohlenhydrate binde 2,7 Gramm Wasser. Schnell nehme ein Athlet dann vier bis fünf Kilo zu und gehe gefühlt als Michelinmännchen an den Start. Das Essen muss also zunächst dem reduzierten Trainingsumfang angepasst werden. Wer die Erfindung der Nudel feiern will, dem bleiben dafür immerhin die letzten drei Tage vor dem Ironman.

Sich um den erholsamen Schlaf in der Nacht vor dem Wettkampf zu sorgen, lohnt nicht. Vielleicht werden es netto vier, fünf Stunden – wenn meine Augen angesichts der Aufregung überhaupt zugehen. „Die Nacht vor dem Ironman ist nicht mehr wichtig“, beruhigt Ralf Ebli. Es komme vor allem darauf an, am Anfang der Ironman-Woche gut und ausgiebig zu schlafen. Da sollte auch die Nervosität noch erträglich sein.

Das Tapering endet am Tag vor dem Ironman. Bisher erschien mir eine Trainingseinheit auf den letzten Drücker als Sakrileg. Doch Trainingsexperte Ebli weiß es besser: Zehn bis 20 Minuten lockeres Laufen oder Radfahren würden den Stoffwechsel anregen und den Muskeln signalisieren, dass es bald wieder Auslauf gibt.

17 Tage sind es noch bis zum Ironman in Frankfurt. Mein kontrolliertes Vegetieren hinter Glas hat offiziell begonnen. Was ein Hundeleben. Zum Glück ist es warm. Da beschlägt der Atem nicht so schnell am Fenster.

- Arne Bensiek ist Autor des Tagesspiegel. Jeden Donnerstag erscheint seine Kolumne „Ich – Ironman“ auf www.tagesspiegel.de/ironman.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false