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Mark van Bommel, 35, hier mit polnischen Schulkindern, ist Kapitän der niederländischen Nationalmannschaft. Mit Eindhoven, Barcelona, Bayern München und dem AC Mailand gewann er acht Meistertitel in vier Ländern. Nach seiner ersten EM wechselt er nach Eindhoven. Er ist mit der Tochter des Nationaltrainers Bert van Marwijk verheiratet.Foto: dapd

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Sport: „Ich bin kein böser Spieler“

Hollands Kapitän Mark van Bommel über seinen Schwiegervatertrainer, gesunde Härte, Spielästhetik und seine Abneigung gegen Camping.

Herr van Bommel, wie dürfen wir uns einen Kaffee-Nachmittag vorstellen, wenn Sie mit Ihrer Familie bei ihrem Schwiegervater Bert van Marwijk zu Gast sind?

Wir haben Teller, Tassen, Löffel und Gabeln auf dem Tisch.

Ist das nicht ein komisches Gefühl, mit dem Schwiegervater am Tisch zu sitzen, der gleichzeitig Nationaltrainer ist?

Beim Kaffee ist das weniger komisch, ich habe meine Frau ja geheiratet, bevor er Nationaltrainer wurde. Unter Nationaltrainer Marco van Basten hatte ich aufgehört, in unserer Nationalelf zu spielen. Ich kam erst mit meinem Schwiegervater zurück.

In den Niederlanden gab es keine Diskussion, weil der Schwiegersohn vom Schwiegervater aufgestellt wird?

Ich kann mich an keine langen Debatten erinnern.

Sie hatten selbst kein komisches Gefühl?

Ich habe schon Druck gespürt. Man könnte sagen, ich musste die ersten fünf bis zehn Spiele nachweisen, dass die Mannschaft mit mir stärker ist.

Sie haben die Prüfung bestanden?

Die anderen Spieler haben mich schnell akzeptiert. In den ersten Spielen habe ich Rafael van der Vaart ein Tor aufgelegt, dann gegen Norwegen selbst eines geschossen. Ich habe gezeigt: Ich meine es ernst.

Welcher Job ist für Bert van Marwijk denn schwieriger, seine Enkel, Ihre Kinder, zu bändigen oder die niederländische Auswahl?

Hmmm, Fußballspieler und selbst Nationalspieler sind manchmal auch wie Kinder. Aber ich denke, es sind alle drei van Bommels, die am Ende doch etwas mehr Mühe bereiten.

Ihre Söhne haben das Talent vom Vater?

Beim Kinderturnier hier im Mannschaftshotel waren sie dabei. Ihr Opa hat drei Beinschüsse von Thomas gesehen. Sie haben 5:0 gewonnen. Da war er zufrieden.

Kann ein Spieler wie Sie Vorbild sein, der als „Aggressiv-Leader“ gilt und als Großmeister des taktischen Fouls?

Es ist schon gut, wenn sie manches nicht sehen. Wenn es hitzig zugeht, finden Dinge auf dem Rasen statt, die du sonst auch nicht machst.

Man denkt als Vater über so etwas nach?

Ja sicher. Die Kinder sollen das auf dem Trainingsplatz nicht nachmachen. In der Hektik auf dem Platz denkst du da nicht drüber nach, aber später schon.

Sie haben den Ruf, ein Rüpel zu sein, der schon mal hinlangt.

Jedes Team hat solche Spieler. Ich habe noch niemanden aus den Schuhen getreten.

Es geht darum, mal ein Zeichen zu setzen?

Die Mannschaft braucht manchmal einen Push, wenn wir ein Spiel noch drehen wollen. Um das einmal klarzustellen: Ich bin kein bösartiger Spieler. Aber es gab Momente, die hätte ich im Nachhinein gerne anders gelöst.

So wie eben, als Sie für das Fernsehen auf Campingstühlen vor einem orangefarbenen Zelt saßen?

Das war fürs Kinderfernsehen. Die lassen sich für jede Sendung etwas anderes einfallen. Bei uns Zuhause ist das Programm ein Hit. Alle schauen das.

Ist das nicht ein Klischee: Alle Niederländer lieben Camping und fluten ganz Europa mit Wohnwagen und Fritteusen?

(lacht) Ich verrate Ihnen was, ich war noch nie beim Camping. Ich mag es einfach nicht. Eben war das erste Mal.

Wie ist es mit dem Klischee, die Niederländer spielen immer schön . . . .

. . . und gewinnen nichts. Das hängt auch mit unserer Kultur zusammen. Bei uns heißt es, du musst schön spielen und gewinnen, dann sind die Leute zufrieden. Wenn du nur gewinnst, sind sie das nicht.

Das passt zur Diskussion, ob im Spiel der Mannschaft nicht zu viel Sicherheitsdenken Einfluss gewonnen hat?

Wir wollen immer angreifen und nach vorne spielen. Aber wir haben viele Spieler im Ausland, und dort geht es zuerst einmal darum, zu gewinnen, egal wie. Das mischt sich dann und wir versuchen, die beiden Dinge zu kombinieren, wenn wir uns treffen. Aber Sie haben recht, es bleibt ein Zwiespalt, einer zwischen den Realisten und den Romantikern im Land.

Wird die Spielweise bei der EM anders?

Viele Spieler haben auch das andere Gen. Wir wollen Zauberfußball spielen, wenn es geht, keine Frage, aber wir wollen zuerst gewinnen und das mit einer Taktik, die uns die größte Chance dazu bietet.

Es ist lange her, dass die Niederlande den letzten Titel gewonnen haben.

Das stimmt. 1988, das sind fast 25 Jahre. Aber wir stehen auf dem Standpunkt: Wenn wir mit unserem Fußball die Welt verändern, dann ist es ok, wenn wir im Halbfinale ausscheiden. Wir wollen natürlich den Titel, aber keiner verlangt das.

Sie haben Arjen Robben geraten, zumindest darüber nachzudenken, die Bayern zu verlassen, weil er im Testspiel im Trikot der Niederlande gegen die Bayern ausgepfiffen wurde?

Ich war einfach sehr enttäuscht. Ich habe hier viereinhalb Jahre gespielt und so etwas noch nie erlebt. Ich habe das sicher aus der Emotion heraus gesagt. Aber Arjen ist eine starke Persönlichkeit, und wir helfen ihm, das zu vergessen und wir schauen auf uns und nicht auf andere.

Ein Wort zur deutschen Mannschaft?

Wollen Sie jetzt hören, dass sie eine starke Mannschaft haben?

Zum Beispiel.

Sie haben eine starke Mannschaft, aber wir wollen gewinnen. Und wir sind stark genug. Anders als beim 0:3 in Hamburg. Das war ein Heimspiel und wir haben nicht gut gespielt. Das nächste Mal wird das hoffentlich anders sein.

Sie haben Ihren Abschied angekündigt, wenn Holland die EM 2012 gewinnt.

Das habe ich gesagt, aber ich lasse mir das doch lieber offen.

Das Gespräch führte Oliver Trust.

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