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Sport: "Ich kann die Heuchler nicht mehr ertragen"

Klaus Böger (56) ist seit zwei Jahren Berliner Senator für Jugend, Schule und Sport. Der Politologe repräsentiert den rechten Parteiflügel der Berliner SPD und machte sich als Verfechter eines rigiden Sparkurses einen Namen.

Klaus Böger (56) ist seit zwei Jahren Berliner Senator für Jugend, Schule und Sport. Der Politologe repräsentiert den rechten Parteiflügel der Berliner SPD und machte sich als Verfechter eines rigiden Sparkurses einen Namen.

Herr Böger, Sie haben der Eisschnellläuferin Claudia Pechstein ein euphorisches Glückwunschtelegramm zum Olympiasieg geschickt. Glauben Sie, dass es bei den nächsten Spielen noch Berliner Sieger geben wird?

Da bin ich ganz sicher, trotz aller Sparmaßnahmen im Sport. Auch wenn nicht alles so leicht ist wie früher, sind wir immer noch das sportlichste Bundesland. Unsere Förderung ist vorbildlich, und deshalb gewinnen Berliner auch Gold in Salt Lake City.

Und deshalb wird jetzt die Sportförderung um zehn Prozent gekürzt. Wollen Sie etwa die Goldmedaille im Sparen gewinnen?

Nun mal langsam. Die Behauptung, dass wegen der Einsparungen der Sport kaputtgemacht wird, ist Unsinn. Wenn man drei Autos hat und eines davon abschafft, dann ist das nicht der Weltuntergang. In Berlin wird leider allzu schnell vergessen, dass andere sich gerade mal ein Auto leisten können. Die würden sich über einen Zweitwagen freuen.

Was ist denn der Zweitwagen des Berliner Sports?

Zum Beispiel die Mittel aus der Spielbank. Da kommen den Vereinen 1,5 Millionen Euro pro Jahr zugute, für Auswärtsfahrten und Übungsleiter. Unser Zweitwagen hat noch mehr Extras: die dritte Sportstunde in der Schule, die Sport-Eliteschulen, die Förderung aus Lottomitteln. Außerdem dürfen die Vereine kostenlos die Berliner Turnhallen nutzen. Es gibt Finanzpolitiker, die das für eine hochwertige Ausstattung halten.

Aber viele Turnhallen sind alt. Der Landessportbund beklagt einen Sanierungsstau.

Ja, und was nützt das Klagen? Wir sollten lieber schauen, was alles erreicht wird mit unserem Sanierungsprogramm. Es werden Sporthallen renoviert, Schritt für Schritt.

Aber es werden auch Hallen geschlossen.

Das kann im Einzelfall passieren. Vor allem aber werden Standorte gerettet, die vor der Schließung stehen. Und zwar nicht nur Turnhallen. Wir haben auch die Deutschlandhalle wieder eröffnet, in der die Berlin Capitals jede Woche Eishockey spielen.

Und was machen Sie, wenn die Capitals zum Saisonende Pleite gehen?

Ich hoffe sehr, dass die drohende Insolvenz abgewendet wird und die Deutschlandhalle als Sportstätte erhalten bleibt. Abgesehen davon freue ich mich auf die neue Großhalle der Anschutz-Gruppe am Ostbahnhof.

Das wäre mal eine positive Nachricht nach der massiven Kritik der letzten Wochen. Sie sind angegriffen worden, weil Sie zwölf Berliner Schwimmhallen schließen wollen.

Das fällt nicht leicht. Aber mir soll mal jemand eine Alternative aufzeigen. Der Vorschlag, die Schwimmhallen in die Obhut der Stadtbezirke zu geben, ist nur ein finanzieller Verschiebebahnhof. Damit wird nicht die Frage geklärt, wer die Betriebskosten zahlen soll. Und die Personalkosten. Die öffentliche Hand hat jedenfalls nicht das Geld dafür.

Und Sportvereine stehen vor dem Aus ...

Das sehe ich nicht so. Um es deutlich zu sagen: Ich kann nicht wegen eines Wasserballvereins - dessen Arbeit ich sehr schätze - jährlich eine halbe Million Euro zur Verfügung stellen. Ich kann nicht garantieren, dass jeder Tauchsportverein täglich ins Wasser springen kann. Ich kann nicht allen Schwimmern versprechen: Ja, ihr dürft weiter 45 Minuten traineren und nicht nur 15 Minuten. Das alles ist dem Steuerzahler nicht zu vermitteln. Wer etwas anderes erzählt, der macht sich was vor.

Das klingt so, als ob sich der Staat aus der Sportförderung zurückziehen sollte. Muss der Sport privater werden?

Der Sport ist Staatsziel in der Verfassung. Der Staat muss Rahmenbedingungen setzen, damit der Sport positiv auf die Gesellschaft ausstrahlen kann. Aber es gibt Veränderungen. Viele Vereine müssen hart um neue Mitglieder werben, vor allem junge Leute wenden sich vom reinen Wettkampfsport ab. Der Sport wird also bereits privater. Aber das heißt nicht, dass die Politik sich raushält. Im Gegenteil, wir fördern die Vereine, weil sie die größte Bürgerinitiative der Stadt sind.

Der Landesrechnungshof hat bemängelt, dass die öffentliche Hand zu viel fördert. Tanzen, Kegeln und Wandern seien Freizeitvergnügen und deshalb nicht förderungswürdig.

Mit Verlaub, ein Beamter des Landesrechnungshofes kann nicht definieren, was Sport ist und was nicht.

Gehört Nacktkultur auch zum sportlichen Vergnügen?

Wenn es Vereine gibt, die Freikörperkultur betreiben und auch Sport anbieten, dann werden wir das weiterhin fördern. Ob nackt oder nicht nackt, spielt keine Rolle.

Was ist mit den Profivereinen?

Es ist nicht wahr, dass die Profivereine zu wenig für die Nutzung der Sportstätten zahlen. Abgesehen davon ist Spitzensport ein positiver Standortfaktor. Ein Spiel von Hertha oder Alba bringt der Stadt Geld.

Ihr Senatskollege Ehrhart Körting (SPD) verlangt aber, dass Hertha BSC die Polizeieinsätze rund ums Stadion selbst bezahlt.

Dann soll der Innensenator mal eine Vorlage machen, die vor einem Gericht Bestand hat. Wenn man so anfängt, stellt sich nämlich die Frage, womit man aufhört. Dann soll Hertha BSC vielleicht nicht nur Verkehrspolizisten bezahlen, sondern auch noch die zusätzlichen U-Bahn-Züge zum Olympiastadion. Und was machen wir beim Kirchentag? Muss dann die Kirche auch zahlen?

Und deshalb trifft sich Bundeskanzler Schröder mit Bundesliga-Managern, um über die Krise der Kirch-Gruppe und damit verbundene Risiken für die Bundesliga zu reden?

Unser Kanzler ist der oberste Fußball-Fan. Darum informiert er sich, ob es Risiken für den deutschen Fußball gibt. Das ist doch sympathisch. Gerhard Schröder macht ja nicht die Aufstellung der Nationalmannschaft. Aber die Frage, ob Fußball im frei empfangbaren Fernsehen oder bei Bezahlsendern zu sehen ist, ist ein Politikum. Und bei der WM 2006 in Deutschland geht es nicht nur um Fußball, sondern um die Ausstrahlung des ganzen Landes.

Berlin will sich auch gern profilieren - mit der Leichtathletik-Weltmeisterschaft und dem Deutschen Turnfest im Jahre 2005.

Natürlich. Das sind unsere Aushängeschilder. Besonders freue ich mich, dass Berlin ins internationale Rennen um die Leichtathletik-WM geht. Da sehe ich gute Chancen für uns. Andere Highlights haben wir schon: die Schwimm-Europameisterschaften, die Volleyball-Weltmeisterschaft der Frauen, die Eisschnelllauf-Weltmeisterschaften ...

..aber Olympia wird es in Berlin nicht geben. Der rot-rote Senat hat eine Bewerbung für die Spiele 2012 abgelehnt.

Das tat auch mir weh. Allen Olympia-Kritikern kann ich nur sagen: Eine Bewerbung bringt viel. Selbst der gescheiterte Anlauf für 2000 hatte positive Effekte. Wo wäre denn Alba heute ohne die Schmeling-Halle, die wir damals gebaut haben? Was wäre mit dem Sechstagerennen, wenn es das Velodrom nicht gäbe? Ich kann die Heuchler nicht mehr ertragen, die sich am Abend im Glanz der Sportveranstaltungen sonnen und am nächsten Tag gegen unsere Hallen wettern.

Herr Böger, macht Ihnen der Job des Sportsenators eigentlich noch Spaß?

Na klar, es gibt ja keine Zwangsverpflichtung zum Senator. Ich habe Spaß am Sport, sei es spätabends beim Olympiagucken oder sei es beim Joggen durch den Wald. Ich bin Sportfan, und ich bin gerne Sportpolitiker. Auch wenn ich zugeben muss, dass ich lieber Sporthallen eröffne als stilllege.

Herr Böger[Sie haben der Eisschnellläuf]

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