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Sport: „Ich suche Abenteuer und das Ungewisse“

Jutta Kleinschmidt über die Rallye nach Dakar, den möglichen Sieg und ihre singende Kopilotin

Frau Kleinschmidt, macht Wüste süchtig?

Ob das auf den Wüstensand zutrifft, weiß ich nicht. Mit der Rallye Dakar ist das etwas anderes. Immer dann, wenn wir aus Europa kommend, die erste Wüstenetappe fahren, erlebe ich etwas, wonach ich mich wirklich gesehnt habe.

Sehnsucht nach Staub, Müdigkeit, unzureichenden hygienischen Bedingungen und Gefahren?

Das gehört zur Dakar-Rallye dazu. Mir helfen diese Umstände letztlich auch danach, mit schwierigen Situationen im täglichen Leben besser fertig zu werden.

In Monaco, wo Sie wohnen, werden Ihnen Schlangen oder Skorpione wohl eher nicht begegnen. Wie schützen Sie sich davor in den Rallye-Camps?

In diesem Jahr bin ich zum 15. Mal dabei, da habe ich genügend Erfahrungen. Also: Schuhe vor dem Anziehen ausschütteln, das Zelt nicht offen lassen und Essbares immer verpacken.

Sind Sie bei der Wüstentour noch nie in Gefahr geraten?

Doch, das war 1987, ich war auf dem Motorrad außerhalb der Wertung dabei. Auf einer Etappe von Algerien nach Mali über fast 500 Kilometer hatte ich mich verfahren. Wasser und Benzin waren knapp, da traf ich zufällig auf eine Autogruppe, die ebenfalls nach dem richtigen Weg suchte. Letztlich schafften wir es gemeinsam. Das hätte auch schlimm ausgehen können.

Können sich Piloten heute auch noch verfahren?

Dafür muss man schon alles falsch machen. Es gibt Satelliten-Navigation und -Telefon in den Fahrzeugen. Suchtrupps können wohl jeden Vermissten finden. Die Sicherheitsvorkehrungen sollen diesmal noch weiter verstärkt worden sein.

Stephane Peterhansel, der die Rallye zuletzt zweimal gewann, sagte einmal: Die Wüste kann ein feindlicher und sehr einsamer Ort sein.

Ich glaube, er meint das vor allem aus sportlicher Sicht. In der Wüste ist man zunächst einmal auf sich allein gestellt, muss vielen Widrigkeiten trotzen. Das kann bis an die physische und psychische Grenze gehen.

Und die 45 Toten, die es bei dieser Rallye seit 1978 gab?

Jeder Fall für sich ist sehr traurig, aber letztlich betreiben wir alle Rennsport, und der ist gefährlich. Die Rallye Dakar gehört dazu.

Haben Sie schon mal daran gedacht, die Seite zu wechseln und „normale“ Straßen-Rallyes zu fahren?

Nein, das wird nicht passieren, das ist eine andere Sportart. Es gibt kurze Sonderprüfungen, bei denen man richtig Gas geben kann, aber ansonsten steht man im normalen Straßenverkehr im Stau. Das passiert in der Wüste nicht.

Sie werden am 31. Dezember in Lissabon zum 15. Mal starten. Was gibt Ihnen die Rallye noch?

Ich suche Abenteuer und das Ungewisse.

Gibt es in der Vorbereitung auf die Rallye noch etwas Neues für Sie?

Ja, diesmal habe ich ein spezielles Training zur Schulung des Gleichgewichts und der Koordination absolviert. Es ist für Golfer entwickelt worden. Dabei habe ich auf einer sich drehenden Plattform gestanden und musste mit den Armen und Händen gezielte, ruhige Bewegungen ausführen – als Simulation der Erschütterungen im Fahrzeug bei der Rallye und meines Handelns am Steuer und darüber hinaus im Cockpit.

Nach dieser Übung sollte ja Ihrem zweiten Sieg nach 2001 nichts mehr entgegenstehen.

Bei VW träumen alle davon, dass mit unserem Race-Touareg erstmals ein Diesel- Fahrzeug in Dakar vorn ist.

Nicht unbedingt das Fahrzeug mit Jutta Kleinschmidt und Ihrer Kopilotin Fabrizia Pons?

Natürlich möchte ich gewinnen, nachdem ich im Vorjahr schon Dritte war. Aber letztlich geht es um den Erfolg der Marke VW. Den Marathon-Rallye-Weltcup haben Bruno Saby und Michel Perin in dieser Saison bereits gewonnen. Bei der Dakar starten wir mit fünf Fahrerteams.

Geben Sie doch mal einen Tipp ab: Gewinnen Sie diesmal erneut?

Es wäre vermessen, eine solche Aussage zu treffen.

Aber auf Sie werden die Fans zuerst schauen: eine Frau in diesem harten Geschäft, dann auch noch als Sieganwärterin, das ist im Motorsport die Ausnahme.

Diesmal ist ja auch wieder Ellen Lohr dabei, die früher Tourenwagen- und Truck-Rennen gefahren ist. Sie wird im Mercedes bestimmt nicht langsam sein.

Eine Berühmtheit haben Sie ja selbst mit Fabrizia Pons im Auto. Was schätzen Sie an der Italienerin, die schon 1981 als Beifahrerin der berühmten Michèle Mouton in San Remo den ersten Gesamtsieg eines Damenteams in der Rallye-WM erreicht hatte?

Fabrizia arbeitet sehr akribisch, vor allem in der Navigation. Sie gibt nie Ruhe.

Frau Pons singt in Turin im Chor als Sopranistin und deckt ein breites Repertoire von klassischer Musik bis zu spirituellen Klängen ab. Hat Sie Ihnen die Wegbeschreibungen schon mal vorgesungen?

Wir sehen uns etwa 140 Tage im Jahr, aber das ist noch nicht vorgekommen.

Sie scheinen in Ihrem Leben nie Ruhe zu kennen. Was halten Sie von dem Ausspruch: Wer nichts tut, kann genießen und nimmt Dinge wahr, an denen er bislang achtlos vorbeilief?

Dieser Satz gefällt mir nicht. Nichts tun passt nicht zu mir. Etwas ganz bewusst tun, halte ich für wichtig. So lebe ich, und so kann ich mich entspannen.

Damit ist es bis zum 15. Januar nun ohnehin vorbei, die Wüste ruft Sie wieder.

Ja, endlich wieder. Vielleicht macht der Wüstensand ja doch süchtig.

Das Interview führte Hartmut Moheit.

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