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Sport: Im Halteverbot

Nach einem mysteriösen Bremsmanöver wird Michael Schumacher die Poleposition aberkannt

Aus den Rennkommissaren des Automobilsport-Weltverbandes Fia wurden gestern Abend Verkehrspolizisten. Sie mussten entscheiden, ob Michael Schumacher gegen die Straßenverkehrsordnung von Monte Carlo verstoßen hatte. Nach acht Stunden Beratung kamen sie zu dem Schluss: Schumacher stand zu lange im Halteverbot. Der Formel-1-Pilot war bei der Qualifikation für den heute stattfindenden Großen Preis von Monaco (14 Uhr/live bei RTL und Premiere) auf der Strecke liegengeblieben. Ein Fahrfehler, entschuldigte er sich. Eine Behinderung der Konkurrenz, entschieden die Rennkommissare. Sie erkannten Schumacher die Poleposition wieder ab. Er muss heute vom 22. und letzten Platz aus starten. Das ist ein Rückschlag im Kampf um die Weltmeisterschaft, denn auf dem engen Stadtkurs bieten sich ihm kaum Gelegenheiten zum Überholen.

Der mysteriöse Vorfall passierte in den letzten Sekunden des Qualifyings, das bis dahin abgesehen von einem Unfall des Ferrari-Piloten Felipe Massa weniger chaotisch als erwartet verlaufen war. Zu diesem Zeitpunkt lag Schumacher in Führung, doch es war abzusehen, dass er seine Zeit nicht mehr verbessern können würde. Gleichzeitig fuhr Fernando Alonso nur wenige Kurven hinter dem Deutschen klar auf Bestzeitkurs. In der vorletzten Kurve, der engen Rascasse, verlor Schumacher plötzlich die Kontrolle über seinen Wagen, weil er sich nach eigenen Angaben „ein bisschen verbremst“ hatte. Der Deutsche brachte seinen Wagen kurz vor der Leitplanke ohne Beschädigung zum Stehen, allerdings blockierte er nun die Ideallinie ausgerechnet an einer der engsten und unübersichtlichsten Stellen der verwinkelten Strecke. Anschließend scheiterte der siebenfache Automobil-Weltmeister auch bei dem Versuch, den Rückwärtsgang einzulegen und dadurch sein Gefährt aus dem Weg zu manövrieren, so dass Alonso vom Gas musste und die Bestzeit um 64 Tausendstelsekunden verfehlte. „Am Ende ist mir auch noch der Motor abgesoffen, ich weiß auch nicht, warum“, sagte Schumacher. Die Tatsache, dass er sein Grinsen bisweilen nur mühsam im Zaum hatte, verhalf seiner Darstellung dabei nicht eben zu größerer Glaubwürdigkeit.

Der erste Protest ließ nicht lange auf sich warten „Michael hält uns alle zum Narren!“, ereiferte sich Renault-Teamchef Flavio Briatore. „Das kann vielleicht einem Nachwuchsfahrer in seinem ersten Rennen passieren, aber doch nicht jemandem mit seiner Erfahrung.“ Es war kurios, dass gerade Briatore Schumacher als Erster öffentlich Absicht unterstellte. Mit ihm als Teamchef war der Deutsche Mitte der Neunziger mehrmals in ähnliche Verlegenheiten geraten, die ihm damals den unschönen Beinamen „Schummel-Schumi“ einbrachten. Ist Schumachers fast vergessenes Alter Ego gestern wieder auferstanden? Briatore jedenfalls schien davon so überzeugt, dass er sofort bei der Rennleitung Protest einlegte. Auch für die meisten anderen Piloten war der Fall eindeutig, auch wenn Michael Schumacher hernach immer wieder versuchte, ihn als Fahrfehler hinzustellen.

Ein wenig erinnerten seine Erklärungsansätze an die berüchtigten Schwarz- Weiß-Rechtfertigungsversuche des früheren italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi. „Es gibt eben Feinde, die einem alle möglichen Sachen anhängen wollen, und es gibt Leute, die einen unterstützen“, sagte Schumacher trotzig. „Ihr könnt euch ja die Bilder ansehen, wenn ihr mir nicht glaubt.“ Die allerdings bewirkten eher, dass sich am Samstag kaum Leute im Fahrerlager fanden, die sich in die Kategorie Freund einordnen lassen wollten. Während Nico Rosberg zu Beginn zumindest noch von einem „cleveren Trick“ sprach, traf Kimi Räikkönen schon eher die gängige Meinung, als er Schumacher den Rat gab, beim nächsten Mal doch besser mit einer Hand die Cockpit-Kamera zu verdecken. Sicher hatte die etwas Qualm wie bei einem echten Verbremser aufgezeichnet, aber ganz klar ersichtlich war auch, dass Schumacher die Kurve ohne erkennbaren Grund weit abseits der Ideallinie anfuhr. Da war es keine große Überraschung, dass ihm „die Straße ausging“, wie er es nannte. Und vor dem Hintergrund, dass Ferrari-Technikchef Ross Brawn ein technisches Problem ausschloss, wirkten auch Schumachers Rettungsversuche am Lenkrad wenig meisterlich. „Das ist einfach peinlich für einen Champion“, bemerkte Jacques Villeneuve und schob mit Blick auf den inzwischen aus der Formel 1 verbannten japanischen Bruchpiloten nach: „Das wäre sogar peinlich für Yuji Ide gewesen.“

Der am meisten Geschädigte ließ sich zu solchen Bemerkungen nicht hinreißen, auch wenn Fernando Alonso sichtlich Mühe hatte, seine Gefühle zu verbergen. Bisher waren die Duelle zwischen dem Weltmeister und dem Rekordweltmeister von gegenseitigem Respekt getragen. Beides könnte am Samstag in der Rascasse nachhaltig gelitten haben. „Ich habe meine eigene Meinung “, sagte Alonso tonlos, „aber die möchte ich nicht sagen.“

Christian Hönicke[Monte Carlo]

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