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Sport: Im Land des Lächelns

Hertha BSC übt sich vor dem Spiel in Stuttgart in guter Laune

Von André Görke und

Klaus Rocca

Berlin. Die Regentropfen sitzen überall. In den Bäumen, auf der Jacke, im Haar. Langsam kriecht der Wind die Hosenbeine hoch. „Gott, warum stehe ich hier?“, sagt der Ordner und zieht an seiner Zigarette. „Ich versteh’ das nicht, früher war hier doch mehr los, wenn die gewonnen haben.“

Das Trainingsgelände von Hertha BSC ist in diesen Tagen ein ungemütlicher Ort. Früher schauten nach einem Sieg viele Fans vorbei. Jetzt, in den Tagen nach dem 2:1 gegen Dortmund, stehen sieben, acht Zuschauer hinter der Absperrung, mehr nicht. Wenn die Spieler gegen den Ball treten, ruft Trainer Huub Stevens mit holländischem Akzent: „Gut, Jongens!“ Gute Stimmung will auf dem Platz jedoch nicht so recht aufkommen. Als Marcelinho einen Ball weit übers Tor drischt, lässt er die Arme frustriert herunterhängen.

Hat der gute Auftakt gegen den Deutschen Meister nichts bewirkt? „Ach, wenn ich das schon höre“, sagt Herthas Mittelfeldspieler Michael Hartmann. „Dieses Gerede über Cliquenwirtschaft, schlechte Stimmung und so – das nervt langsam.“ So reden sie alle, auch Dieter Hoeneß, Herthas Manager. „Die Stimmung war nie so schlecht, wie es behauptet wurde“, sagt er. Dass die Spieler nicht strahlend über den Platz laufen, hängt wohl auch mit dem Wetter zusammen. „Klar, wir wissen jetzt, dass wir es können“, sagt Hartmann. „Wir haben das Potenzial für da oben, wir können jeden schlagen in der Bundesliga. Wir haben diese Leistung halt nicht immer gezeigt.“ Josip Simunic sagt: „Der Sieg bringt ein gewisses Selbstvertrauen.“ Mit großen Sprüchen halten sich die Spieler zurück. In Berlin kann die Stimmung schnell drehen. Der Druck vor dem Spiel heute in Stuttgart ist gestiegen. Hätte die Mannschaft gegen Dortmund verloren, hätten es die Fans in Berlin wohl als normal empfunden. Jetzt aber wird eine Serie gefordert.

Vor dem Dortmund-Spiel hätten sie sich hingesetzt und endlich mal geredet, erzählt Pal Dardai. „Das ging bestimmt eine halbe Stunde. Jeder hat einfach gesagt: Hey, das und das muss verbessert werden!“ Dardai hat mehr Unterstützung von den Spielern auf den Halbpositionen im Mittelfeld gefordert, „und gegen Dortmund hat das geklappt“. Dardai bot eine überaus gute Leistung. Die Hierarchie entsteht gerade neu. Gegen Dortmund haben die Jungen gespielt, van Burik und Beinlich saßen draußen, Preetz kam erst spät. Und trotzdem, „wir haben richtig gut miteinander gesprochen“, sagt Dardai. In der Winterpause hat er sich eine Menge Gedanken gemacht. Warum es so schlecht lief, die Stimmung immer schlechter wurde. „Das liegt vielleicht am neuen Trainer“, sagt Dardai. „Jeder wollte Huub Stevens zeigen, was er kann, wie gut er ist. Dabei sind wir immer mehr verkrampft.“

Bei Dieter Hoeneß ist die Laune sichtlich gestiegen. „Die Mannschaft hat es doch allen gezeigt, dass das Gerede von der Krise Unfug ist. Wer gegen den Meister in letzter Minute gewinnt, um dessen Moral muss es gut bestellt sein“, sagt er. Hoeneß gibt sich locker. Auch Huub Stevens. Der Trainer, der Journalisten oft abblitzen lässt, scherzt mit ihnen, als hätte er nie anderes getan. „Warum sollte ich griesgrämig sein?“ Bei der Frage, was denn gewesen wäre, hätte Marcelinho nicht mehr das Siegestor geköpft, winkt er nur ab – lächelnd.

Trotzdem: Das mit der Gruppenbildung sei nicht ganz falsch, sagt Michael Hartmann. „Aber es ist doch normal. Wenn man keinen Erfolg hat, zieht man sich zu jenen Typen zurück, mit denen man gut auskommt.“ In der Kabine aber, sagt Dardai, „da verarschen wir uns schon gegenseitig, da geht es ziemlich locker zu“. Dardai lächelt. Vielleicht hat der Sieg doch etwas gebracht. Gelächelt wurde schon lange nicht mehr bei Hertha.

André Görke, Klaus Rocca

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