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Sport: Im Mercedes Coupé zum Training

Warum Österreich nicht mehr an sein Fußballteam glaubt

Wien. Fangen wir mit Peter Pacult an. Man kann darüber streiten, ob der Mann, der etwas mehr als eine Saison 1860 München betreute, ein guter Trainer ist. Man kann auch darüber streiten, ob Pacults Visionen für einen Traditionsklub die richtigen sind. Und wenn man ganz besonders böse ist, kann man sogar darüber streiten, ob man Peter Pacult im deutschen Fernsehen ohne Untertitel interviewen darf. Aber eines kann man Pacult nicht absprechen: Der ehemalige Stürmer ist ein echter Österreicher. Er grantelt wie einst Ernst Happel. Er raunzt wie jeder Wiener Taxifahrer. Und er ist in Sachen Fußball pessimistisch wie mittlerweile beinahe alle seine Landsleute.

Selten wurde das so deutlich wie in der Vorbereitung auf das heutige EM-Qualifikationsspiel Tschechien gegen Österreich (20.30 Uhr im Sparta-Prag-Stadion). Denn eigentlich ist es das Spitzenspiel der Gruppe drei: Zweiter gegen Dritter, beide trennt nur ein Punkt voneinander.

Tschechien hat bislang eine gute EM-Qualifikation gespielt und gegen die Niederlande am Samstag auswärts ein 1:1 geholt; Österreich hat gegen die Holländer zwar verloren, aber sonst bisher ganz passabel gekickt und nach drei Runden nur einen Punkt weniger als die Niederlande und Tschechien. Und: Im Gegensatz zu Deutschland hat Österreich bislang seine Hausaufgaben gemacht und das Heimspiel gegen Moldawien 2:0 gewonnen.

Und trotzdem ist für die Österreicher das Spiel in Prag schon verloren, bevor es begonnen hat. An die Qualifikation für die EM im nächsten Jahr in Portugal glauben nicht einmal die Berufsoptimisten in den Boulevard-Redaktionen. Österreich wird erst 2008 erstmals an einer EM teilnehmen – weil man dann als Gastgeberland automatisch qualifiziert ist. Aber ein Sieg in Prag? Illusion. Ein Unentschieden? Kaum möglich. Kicker wie der 32-jährige Thomas Flögel von Christoph Daums Austria Wien freuen sich, einmal gegen die „Klassespieler Rosicky und Nedved zu spielen“. Und sogar der Teamchef und nach Eigendefinition „chronische Optimist“, Hans Krankl, sagt, dass die Tschechen völlig überlegen sind. Ehrfürchtig werden in den Zeitungen die Namen von Koller und Rosicky genannt und ihre imposanten Statistiken aufgezählt.

Die „Kronen-Zeitung“ titelte am Dienstag ganz bang: „Noch ein Stürmer! Die totale Offensive!“ Und als sich das Team bei der Abschluss-Pressekonferenz auf einem Schiff präsentierte, witzelten die Journalisten, dass zumindest dieser Ort ganz gut passt: Er erinnert an den Untergang der Titanic.

Sogar der Teamchef gibt eine ziemlich defensive Strategie für die Partie vor. Seine Taktik: „Intelligent Foul spielen“, um die Tschechen ja nicht ins Spiel kommen zu lassen. Auf dass die Niederlage nicht allzu hoch ausfalle – das verspricht nicht unbedingt einen großen Kick. Dabei ist es noch gar nicht so lange her, dass Österreich mit den Tschechen fußballerisch zumindest auf Augenhöhe war. Aber heute will davon niemand mehr was wissen.

Die Tschechen wären einfach besser, weil sie eine funktionierende Nachwuchsarbeit haben, meint Krankl. Die jungen Tschechen seien hungrig und konzentrierten sich deswegen auf den Fußball, um sich im Leben zu verbessern. Im Wohlstandsland Österreich wäre das eben nicht mehr notwendig. Denn, sagt Krankl, die Nachwuchskicker in Österreich leben einfach zu gut. Sie haben zwar in ihren Klubs keine Chance, fahren aber immerhin mit einem Mercedes Coupé zum Training.

Markus Huber

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