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Sport: Immer noch eine Steigerung

Das deutsche Hockeyteam gewinnt das WM-Halbfinale gegen Spanien im Siebenmeterschießen

In bestimmten Situationen hilft auch noch so viel Erfahrung nicht gegen den Anflug von Nervosität. Philipp Crone spielt seit 1997 für die deutsche Hockey-Nationalmannschaft, er hat 337 Länderspiele bestritten, so viele wie kein anderer in Deutschland, doch vor seinem 338. hat er einen Moment nicht aufgepasst. Die deutsche Hymne war gerade verklungen, da löste sich Crone mit einer routinierten Absatzbewegung aus der 16er-Kette. In seiner Aufregung hatte er vergessen, dass die spanische Hymne noch fehlte. Selbst Crone steht eben a) nicht alle Tage im Halbfinale einer WM und b) vor allem nicht vor 10 000 tobenden Fans. Zwei Stunden lang bebte der ausverkaufte, allerdings nicht voll besetzte Mönchengladbacher Hockey-Park – dann gab es noch eine Steigerung: Torhüter Ulrich Bubolz hielt im Siebenmeterschießen den dritten Siebenmeter der Spanier. Durch ein 3:1 sicherte sich die Mannschaft den Einzug ins Finale. Am Sonntag treffen die Deutschen auf Australien, das sich im ersten Halbfinale 4:2 gegen Südkorea durchgesetzt hatte.

Nicht alle Wünsche lassen sich so leicht erfüllen wie der von Mittelfeldspieler Björn Emmerling, der vor dem Spiel das Lied „Der Sommer unseres Lebens“ von Xavier Naidoo hatte hören wollen und auch zu hören bekam. Die junge deutsche Mannschaft darf weiterhin vom Sommer ihres Lebens träumen, von der erfolgreichen Titelverteidigung und dem zweiten WM-Titel nach 2002. Anfangs allerdings tat sie sich schwer gegen die aggressiv pressenden Spanier, brachte sich durch Stockfehler und viele Ballverluste immer wieder in Bedrängnis. Schon in der vierten Minute musste Torhüter Ulrich Bubolz gegen Spaniens gefährlichen Stürmer Pol Amat klären. Der Berliner war erneut eine sichere Stütze seines Teams, wehrte bei 0:0 die erste Strafecke der Spanier ab (16. Minute). Nur zwei Minuten darauf schien Bubolz bezwungen zu sein, doch nach Ansicht der Videobilder entschieden die Schiedsrichter: kein Tor. Fabregas hatte den Ball mit dem Fuß über die Linie geschossen.

Offensichtlich hatte die nervöse deutsche Mannschaft genau diese Schreckmomente benötigt, um nach langem Anlauf endlich ins Spiel zu finden. Nur eine Minute später brachte gleich der erste schöne Angriff, eine Direktkombination, die Deutschen in Führung. Carlos Nevado, dessen Mutter Spanierin ist, leitete den Ball in den Schusskreis zu Björn Emmerling, und der lenkte ihn an Torhüter Herrera vorbei über die Linie.

Spaniens holländischer Trainer Maurits Hendriks hatte vor dem Halbfinale gesagt, seine Jungs liebten es, gegen Deutschland zu spielen. Was sie nicht lieben, ist, nach einem Rückstand das Spiel machen zu müssen. Lieber kontern sie. Gestern aber ließen sie sich von dem 1:0 der Gastgeber nicht beirren, sie blieben druckvoll und kamen bis zur Pause zu drei weiteren Strafecken. Bubolz wehrte die erste ab, auch der zweite Ball klatschte an seinen Brustpanzer, der dritte rutschte ihm zwischen den Beinen hindurch zum 1:1 über die Torlinie. Es war für Bubolz und die deutsche Mannschaft im sechsten Spiel des Turniers der erste Gegentreffer nach einer Strafecke.

Nach der Pause büßten die Spanier ihre Dominanz ein. Die Deutschen eroberten viele Bälle im Mittelfeld und versuchten nun ihrerseits, mit schnellen Kontern den Siegtreffer zu erzielen Matthias Witthaus und Christopher Zeller verfehlten zu Beginn der zweiten Halbzeit das Tor nur knapp. Der Krefelder Witthaus wurde immer stärker. In der 46. Minute passte er den Ball von der linken Seite in die Mitte, Moritz Fürste vollendete zum 2:1. Die Spanier aber erwiesen sich erneut als konterstark. Noch in derselben Minute glich Fabregas zum 2:2 aus, und spätestens in diesem Moment ahnten die Zuschauer, dass das Spiel ein dramatisches Ende nehmen würde. An Aufregung war auch in der Folge kein Mangel. Eine Viertelstunde vor Schluss vergab Zeller die erste Strafecke für die Deutschen, kurz darauf musste Oliver Hentschel nach einem blöden Foul an der gegnerischen Torauslinie vom Feld. Seine Mannschaft spielte neun Minuten in Unterzahl, wehrte sich mit aller Macht, Ulrich Bubolz wehrte die fünfte Strafecke der Spanier ab, rettete das deutsche Team in die Verlängerung – und wurde im Siebenmeterschießen erst richtig zum Helden.

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