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Sport: In Afrika ist vieles anders, erst recht in Ghana - mit den Black Stars steht und fällt die Nation

Wenn Kofi Ayew ein Deutscher wäre, würde er weinen. Oder er würde seinen Anwalt beknien, irgendetwas in der Sache zu unternehmen.

Wenn Kofi Ayew ein Deutscher wäre, würde er weinen. Oder er würde seinen Anwalt beknien, irgendetwas in der Sache zu unternehmen. Oder er würde, wenn er zu Extremen neigt, seinem Leben ein Ende machen. Aber Kofi Ayew ist kein Deutscher. Er ist Afrikaner. Der Fernmelde-Ingenieur aus Accra glaubt an die Schicksalshaftigkeit des Lebens. Deshalb hat er die Nachricht vom Zusammenbruch der "Bank for Housing and Construction" als Naturkatastrophe hingenommen. Das Geld ist weg. Sein Geld. 10 Millionen Cedi. 5000 Mark. Die gesamten Ersparnisse. Kofi bleibt jetzt nur noch der Fußball.

Aber auch da droht Ungemach. Die Black Stars, Ghanas Nationalmannschaft, spielten zur Eröffnung des 22. Afrika-Cups gegen Kamerun nur 1:1. Gegen Togo und die Elfenbeinküste muss gewonnen werden. Sonst droht das Aus bereits in der Vorrunde. Und das im eigenen Land. Eine nationale Katastrophe, um vieles schlimmer als die jüngste Bank-Pleite. Was sind schon 160 000 Sparer, die ihr Geld verlieren, im Vergleich zu 17 Millionen Ghanaern, die ihre Fußball-Ehre in den Dreck getreten sehen?

"Fußball ist ein wichtiger Teil unserer Identität", sagt Edwin Kumah Drah, Politik-Redakteur beim Staatsrundfunk GBC. "Ohne unsere Erfolge im Fußball würde es das heutige Ghana nicht geben." Fußball ist in Afrika nicht nur staatstragend sondern mitunter auch staatsmachend. Ghana gewann 1963 seine erste Afrika-Meisterschaft, sechs Jahre nach der erstrittenen Unabhängigkeit von England. Viele Einwohner der ehemaligen Kolonie begriffen sich nach diesen Erfolgen erstmals als Nation.

Der letzte Erfolg beim Africa-Cup liegt allerdings schon 18 Jahre zurück. Im Revolutions-Stadion von Tripolis besiegte Ghana Gastgeber Libyen im Elfmeterschießen. Frischer Ruhm täte gut. Auch in politischer Hinsicht, meint Staatspräsident Jerry J. Rawlings. Der ehemalige Luftwaffen-Offizier, der sich gleich zweimal an die Macht geputscht hat, tritt im Dezember nach 18-jähriger Regentschaft ab. Das Land hinterlässt er in einem - für afrikanische Verhältnisse - guten Zustand. Es herrscht Frieden, es gibt eine parlamentarische Opposition, die Wirtschaft wächst in geringem, aber stabilen Masse, die von der Weltbank verordnete Liberalisierung und Cedi-Abwertung locken Investoren aus dem Ausland an.

"Fußball ist in Afrika ein Katalysator", sagt GBC-Redakteur Kumah Drah. "Durch Fußball kommen Dinge in Bewegung." Mitunter können die Dinge allerdings auch ins Stocken geraten. Oder verstummen. Bei der Fernseh-Übertragung des 2:0-Sieges von Titelverteidiger Ägypten gegen Sambia mussten die Zuschauer in Afrika und der Welt auf erklärende Kommentare verzichten. Die Tonleitung im nigerianischen Kano wollte partout nicht zustande kommen. Eine von bereits mehreren Pannen, die nicht nur Mitveranstalter Nigeria in Misskredit bringt. Organisationsmängel fallen auch auf Südafrika und Marokko zurück. Die beiden Länder kämpfen bei ihrer Bewerbung für die Weltmeisterschaft 2006 gegen das Vorurteil, Afrikaner könnten nicht organisieren.

Dass in dieser Situtation ghanaische Nationalspieler auf Stimmenfang für WM-Konkurrent Deutschland gehen, ist in Ghana auf Kritik gestoßen. Charles Akonnor vom VfL Wolfsburg und Bayern-Verteidiger Samuel Kuffour werben in einer DFB-Broschüre. Ghanas Kapitän Akonnor wird in dem Heft mit dem Satz zitiert: "Für Deutschland geht mein Daumen nach oben."

Wohin der Daumen für Akonnor in den kommenden Tagen zeigen wird, ist offen. Kofi Ayew, der Mann, der sein Erspartes verlor, hat Vorbehalte gegen den Wolfsburger Profi. Er sei zu dürr, um sich gegen die kräftigen afriknischen Abwehrmänner durchzusetzen. Als nächstes geht es am Donnerstag gegen Togo. Wenn die Bank-Pleite nicht dazwischen gekommen wäre, hätte Kofi sich einen Sitzplatz in der Nähe der Präsidenten-Loge geleistet. Am Donnerstag muss es der Stehplatz tun.

Thomas Hollmann

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