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Interview: „Da gehen alle Warnlampen an“

Hongkongs Jockeyclub-Chef Winfried Engelbrecht-Bresges arbeitet seit 1998 in Hongkong. Er steht im dritten Jahr als Chief Executive Officer mit an der Spitze des einflussreichen Jockey-Clubs. Im Tagesspiegel-Interview spricht über Sportwetten und Betrug.

Herr Engelbrecht-Bresges, wie sieht Ihre persönliche Wettbilanz in Hongkong aus?

Die gibt es gar nicht. In meinem Vertrag mit dem „Hong Kong Jockey Club“ ist fixiert, dass ich nicht wetten darf.

Gilt das nur für Sie?

Nein, das trifft auf alle 4300 Vollzeitmitarbeiter in unserem Jockey-Club zu. Es gibt aber Überlegungen, das Wetten für die Leute aus dem Catering zu erlauben.

Wie kann man sich denn in Hongkong, dem Eldorado der Sportwetter, dieser Leidenschaft entziehen?

Völlig geht das nicht, das stimmt. Ich wette theoretisch für mich, ohne Einsatz.

Glauben Sie, dass mit dem Wettverbot wirklich Manipulationen ausgeschlossen werden können?

Ja, darum geht es. So sind wir über jeden Verdacht erhaben. Wir gehen mit dem Thema Wettmanipulation bewusst sehr unnachgiebig um, das können Sie mir glauben.

Der Jockey-Club hat im Vorjahr 13,2 Milliarden Hongkong-Dollar an Steuern bezahlt, das sind acht Prozent des gesamten Steueraufkommens in Hongkong. Wie hoch wird Ihr Wettumsatz dieses Jahres ausfallen?

Es wird ein Rekordjahr werden. Wir erwarten bei Sportwetten einen Umsatz von 37 Milliarden, bei Pferdewetten von etwa 70 Milliarden sowie etwas mehr als sechs Milliarden durch Lotto. Der Kurs zum Euro liegt derzeit bei knapp elf für einhundert Hongkong-Dollar.

Dahinter stehen Unmengen an getätigten Wetten. Wie schließen Sie da Betrug aus?

Wir haben ein Team, das aus 60 Leuten besteht und permanent den Markt analysiert. Auch Anlagen aus der Vergangenheit werden dabei einbezogen. Jede Abweichung vom Normalen ist sofort verdächtig.

Was passiert, wenn jemand plötzlich mit 200 000 Hongkong-Dollar in eine Wette einsteigt?

Wenn es ein neuer Kunde ist, dann gehen bei uns sofort alle Warnlampen an. Wir kennen unsere Kunden, die sich in den höheren Bereichen bewegen.

Das klingt ja nach totaler Kontrolle. Aber ist die überhaupt möglich?

Es ist immerhin so: Sie können unsere Wettanalytiker nachts wecken. Selbst dann wissen sie, welches Pferd wie zu reiten ist. Sie würden andere Reitweisen sofort erkennen und auch einen Bezug auf Wettverhalten feststellen können. Wir arbeiten auch eng mit der Polizei zusammen.

Worin sehen Sie den Hauptgrund für Wettmanipulationen?

In der Dezentralisierung. Jeder kann irgendwo doch eine Lizenz für Wettbüros bekommen. Hinzu kommt das Problem des steuerlichen Abzugs. 32 Prozent sind einfach zu viel, so wird das Wetten unattraktiv für Kunden. Erst dadurch entwickelt sich ein Untergrundmarkt, der bessere Konditionen ermöglicht. Ich sage: 15 bis 17 Prozent, mehr geht nicht gut.

Reicht das Kontrollieren der Wettaktivitäten allein aus, um Manipulationen zu verhindern?

Nein, es muss ständig über die vorhandenen sportlichen Wettbewerbe nachgedacht werden. Denken Sie nur an die lokale Galopp-Szene: Es darf hier keine ständig gleichen Wettkampf-Strukturen mit denselben Jockeys geben. Das kann zu Gewohnheitsrechten führen.

Nach dem Motto: Gibst du mir, gebe ich dir?

Nur neue Wettbewerbe und neue Jockeys können ständig neue Anreize schaffen. Das kann Absprachen verhindern oder zumindest erschweren.

Wie lange liegt der letzte Manipulationsfall bei Ihnen in der Galoppszene zurück?

Das war Mitte der 90er Jahre. Nach drei Jahren Aufklärung wurde klar, dass der damalige Spitzenjockey Stanley Chin aus Hongkong Rennen manipuliert hatte. In Hongkong verbüßte er dafür eine lange Haftstrafe. Danach war er vor allem in England aktiv. 2008 bekam er dann eine Gastjockey-Lizenz, konnte auch in Hongkong reiten.

Bei dem jüngsten, internationalen Wettskandal ging es nicht um Pferdewetten, sondern um den Fußball. Können Sie ausschließen, dass es von Hongkong aus keine Manipulationen gab?

Von Hongkong aus ist bei den unter Verdacht geratenen Spielen nur auf eins gewettet worden: eines mit dem VfL Osnabrück in der Zweiten Liga. Mehr ist mir nicht bekannt.

Welche Rolle spielt China?

Wetten ist in China verboten. Es gibt immer wieder mal Versuche, das zu ändern, aber eine politische Entscheidung dazu erwarte ich vorerst nicht.

Das Gespräch führte Hartmut Moheit.

Winfried Engelbrecht- Bresges, 54, arbeitet seit 1998 in Hongkong. Er steht im dritten Jahr als Chief Executive Officer mit an der Spitze des einflussreichen Jockey- Clubs.

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