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Nico Rosenberg, 25.

© dpa

Interview: "Es gibt schon Dinge, die einen nerven könnten"

Nico Rosberg über das Duell mit seinem Mercedes-Kollegen Michael Schumacher, über Psychotricks in der Formel 1 und das Ende seiner Titelhoffnungen.

Herr Rosberg, wir wollen mit Ihnen über den Kopf reden. Ihr Fahrerkollege Adrian Sutil sagt, die Formel 1 ist hauptsächlich Kopfsache. Stimmt das?

Sport generell ist viel Kopfsache. Du musst eine gewisse Selbstüberzeugung haben, Konzentration, die Fähigkeit, präsent und konzentriert in dem zu sein, was du machst.

Muss man den Gegner im Motorsport vor allem im Kopf verunsichern, besiegen und zerlegen, um selbst überleben zu können?

Nein, aber es ist immer auch ein Teil davon. Wenn man seinen Gegner mental nervös machen kann. Manchmal kann man das schon nutzen.

Nennen Sie mal ein paar Psychospielchen.

Vor dem Start zum Beispiel. „Pass auf! Mir ist es egal, entweder ich komm vorbei, oder es kracht!“ Das ist wahrscheinlich ein doofes Beispiel. Aber cool bleiben ist dann immer sehr wichtig. Jede Nervosität ist vergebene Energie, die du woanders gut gebrauchen könntest. Bis zu einem gewissen Punkt ist Nervosität was Gutes, sie hilft dir bei der Konzentration und beim Adrenalin. Das muss ein guter Kompromiss sein.

Michael Schumacher gilt als mental unglaublich stark. Sind Sie stärker geworden, seitdem Sie gegen ihn im gleichen Team fahren?

Ja klar. Es ist mein fünftes Jahr in der Formel 1, und besonders dieser Teamwechsel war für mich interessant. Es ist ja immer die Gefahr, dass du sonst in deiner Norm drin bist und nicht mehr hinterfragst. Durch den Teamwechsel war alles neu, das ganze Umfeld, ich musste alles noch einmal hinterfragen und noch mal ganz neu anfangen. Das hat mich auf jeden Fall weiter gebracht.

Und welche Rolle spielt Schumacher?

Hat Michael mich zu einem besseren Fahrer gemacht? Würde ich jetzt nicht so sagen. Natürlich lerne ich von ihm auch Sachen. Es ist kein Zufall, dass er siebenmaliger Weltmeister ist. Seine Art, an diesen Sport heranzugehen, ist auf jeden Fall sehr interessant. Viel lieber wäre mir aber, wenn ich ein Auto hätte, um Rennen zu gewinnen.

Schumacher könnte Ihr Vater sein. Ist das Duell vielleicht gar nicht so hart, weil er eher väterlich mit Ihnen umgeht und Ihnen auch mal einen Tipp gibt?

Nee (lacht), ich glaube, das ist nicht so der Fall. Ich glaube, das kommt bei ihm nicht vor. Ich bin schon ein Konkurrent für ihn, denke ich. Teamgefährte, aber Konkurrent.

Was war der erste Gedanke, der Ihnen durch den Kopf ging, als Sie den Namen Ihres neuen Kollegen erfuhren?

Au wei (lacht). Aber nicht nur negativ, sondern beides. Auch: Cool, das wird eine Wahnsinnserfahrung. Endlich mal ein starker Teamkollege, wo man auch mal richtig gepusht wird. Auf der anderen Seite hatte ich auch Bedenken, weil sein Verhältnis mit Teamchef Ross Brawn so gut war über die letzten Jahre. Und weil man auch so viel Kritisches über Michael gehört hat. Da sagt einem dann zum Beispiel Rubens Barrichello: Lauf weg so schnell du kannst von dem Team! Der war ja Teamkollege von Michael und war auch vorher hier im Team. Da habe ich mir auch meine Gedanken gemacht, weil ich Michael und Ross nicht kannte. Im Nachhinein aber ist es subjektiv kein Problem.

Ist Barrichello nicht so stark im Kopf wie Sie, um gegen Schumacher zu bestehen?

Also ich sehe schon Sachen, die könnten vielleicht jemanden nerven. Aber ich habe damit überhaupt keine Probleme. Man versucht als Teamkollege ja immer, sich Vorteile zu verschaffen, das ist ja was ganz Normales. Für mich ist es einfach wichtig, dass ich mir im Team ein starkes Standbein aufstelle und mir Respekt verschaffe. Wenn du das erreichst, ist es eigentlich nicht so wichtig, was der andere macht und eigentlich nur gut, wenn er auch eine starke Meinung hat.

Sie sagen, Ihr Wort im Team hat mehr Gewicht bekommen. Sind Sie auch bei Ross Brawn im Ansehen gestiegen?

Natürlich, klar. Ross hat mich als ersten Fahrer engagiert und große Hoffnungen in mich gesetzt. Aber ich kam von Williams und hatte noch nicht die großen Erfolge, und ich bin mir sicher, dass ich im Ansehen auch in seinen Augen gestiegen bin.

Mussten Sie das Team mehr von sich überzeugen als Schumacher, obwohl Sie ja beide neu im Team waren?

Ja, aber das ist klar. Michael kommt rein und es war klar, er ist der Beste. Er musste gar nichts tun, ich dagegen sehr viel.

Wenn Sie nun das eine wollen, Schumacher aber das andere: Wie wird eine Entscheidung gefällt?

Ich habe mir eine sehr starke Position im Team aufgebaut, und das Team hat mir das auch erlaubt. Ich denke deshalb, dass beide Meinungen sehr stark zählen. Das Gute ist, dass wir fast immer die gleiche Meinung haben in Sachen Richtung und Entwicklung. Das macht es alles sehr einfach, weil ich ohne arrogant zu sein auch glaube, dass wir beide kompetent sind. Wir haben beide unsere Stärken im Verstehen des Autos und der Technik und da gibt es eben oft nur den einen richtigen Weg, und sehr oft treffen wir den beide.

Unterschiedlicher Meinung sind Sie dabei, ob das diesjährige Auto noch weiterentwickelt werden soll. Schumacher will lieber schon alle Konzentration in die nächste Saison stecken. Wie überzeugen Sie das Team von Ihrer Meinung?

Ich mache das nicht. Mir ist diese Saison genauso wichtig wie die nächste. Das Team findet dann schon den Kompromiss, denn für das Team ist die Saison auch noch wichtig.

Aber wäre es nicht sinnvoll, die verkorkste Saison abzuhaken und sich schon auf das Auto für die kommende Saison zu konzentrieren?

Wir haben jetzt noch acht Rennen und möchten und müssen Rennen gewinnen, auch dieses Jahr noch. Man kann ja auch noch viel mit hinüber nehmen ins nächste Jahr. Aber natürlich ist das ein stetiger Kompromiss, bei dem man mehr und mehr aufs nächste Jahr schaut.

Es scheint aber, als würde das Auto trotz ständiger Entwicklungsarbeit eher langsamer als schneller. Woran liegt das?

Ich kann’s momentan nicht erklären. Das hatten wir schon öfter, dass wir meinen, es wäre ein Schritt nach vorne und dann ist es doch ein Schritt zurück. Das ist komisch. Ich hoffe, wir finden den Grund dafür, in den Upgrades oder so.

Vor dem Rennen in Hockenheim hatten Sie sich noch Hoffnungen auf den Titel gemacht. Der Abstand zur Spitze ist aber eher größer geworden. Sehen Sie immer noch eine realistische Titelchance?

Das sieht jetzt natürlich nicht mehr so gut aus – das wird sehr, sehr schwierig. Mein Ziel ist jetzt, dass ich gerne noch vor Ende der Saison ein Rennen gewinnen möchte.

Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug hat Sie als „derzeitigen Pacemaker“ des Teams bezeichnet. Kann man das mit „Nummer eins“ übersetzen?

Nein, so kann man das nicht übersetzen. Ich bin zufrieden, wenn der Norbert das jetzt so gesehen hat. Ich bin aber nicht im Ungewissen, dass es sich auch morgen wieder ändern kann. Michael ist der Beste aller Zeiten und da kann es auch sehr schnell wieder andersherum gehen, und damit werde ich dann auch leben können.

Zurück zu den Spielchen im Kopf. Gehören Autonummern- und Garagenwechsel zu den Dingen, die einen nerven können? Es hieß ja, damit wolle Sie Schumacher aus dem Konzept bringen.

Hm, ich denke mal nicht, nein. Und der Garagenwechsel ist ja auch gar nicht passiert, das ist Quatsch. Es wird überhaupt so viel Quatsch geschrieben, Auto für Michael gebaut, Garagenwechsel, das geht ins Unendliche. Das ist alles so weit weg von der Wahrheit. Ich weiß ja, was die Wahrheit ist, ich bin ja mittendrin.

Ihr Vater Keke hat Schumacher nach seinem Parkmanöver in Monaco 2006 als Drecksack bezeichnet. Ist das die Wahrheit?

Nein (lacht). Das stimmt nicht.

Was ist Schumacher dann?

Michael ist … (überlegt) … in Ordnung. (Breitet die Arme aus, um eine Schlagzeile anzudeuten) Ich lese es schon: Michael ist in Ordnung!

Das Gespräch führte Christian Hönicke.

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