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ALPINE SKIING-SUPERG-GERG

© AFP

Interview: "Maria Riesch hat die Coolness für Gold"

Hilde Gerg gewann 1998 als bislang letzte Deutsche eine alpine Medaille bei Olympischen Spielen – für Vancouver erwartet sie endlich wieder Erfolge der deutschen Skirennfahrerinnen

Frau Gerg, Sportler behaupten oft, Olympia sei auch nur ein Rennen wie jedes andere. Ist es so?



Zum Teil. Gerade bei den Alpinen ist die Konzentration sehr wichtig, weil du im Rennen nicht zwei Stunden Zeit hast, sondern nur eine Minute, da musst du dich auf den Punkt fixieren. Das läuft dann wirklich nicht anders ab als bei jedem Rennen. Das ganze Umfeld bei Olympia ist natürlich ein anderes. Aber ich habe es eher als motivierend statt hemmend empfunden.

Sie waren nicht nervös?

Nein. In Nagano war es so, dass die ganze Stimmung im Team super war. Da hat alles gepasst. In Salt Lake City 2002 war das anders, da habe ich es fast geschafft, dass ich beim Super-G zu spät am Start war. Was ich 1998 an Glück hatte, habe ich 2002 dann bezahlt, als ich nur Vierte und Fünfte wurde.

Nagano waren mit sechs alpinen Medaillen erfolgreiche Spiele für das deutsche Team. Katja Seizinger hat zweimal Gold und einmal Bronze gewonnen, der Dreifachsieg Seizinger, Martina Ertl und Gerg in der Kombi ist noch in bester Erinnerung. Und dann haben Sie Slalom-Gold draufgepackt. Es war das bislang letzte Gold bei Olympia für die Deutschen in Alpinwettbewerben.

Damals habe ich irgendwie gewusst: So, heute passt das. Zuvor beim Kombi-Slalom bin ich furchtbar schlecht gefahren, das hat mich geärgert. Meine Schwiegermutter hat gesagt: „Mensch, bei Olympia eine Medaille, das ist ja der Wahnsinn.“ Da habe ich gedacht: Stimmt eigentlich. Jetzt hast du eine Medaille und spinnst immer noch so. Sportler haben eben manchmal solche Anfälle.

Durch die Goldmedaille wurden Sie zum großen Star. Was veränderte sich für Sie?

Viel. Gerade vor Olympischen Spielen wird man ständig daran erinnert. Es heißt immer: Olympiasiegerin, das ist etwas Besonderes, etwas Einzigartiges.

1998 war die deutsche Frauenmannschaft das alpine Traumteam. Danach hatten Sie und Martina Ertl Erfolge, aber die Dichte fehlte. Jetzt sind die Frauen hinter Österreich wieder die Nummer zwei. Ist da ein alpiner Aufschwung im Gange?

Die Frauen sind ja schon seit zwei, drei Jahren wieder stärker, aber das dauert manchmal in der Außendarstellung ein bisserl länger. Aber unsere Alpinen sind wieder wer. Maria Riesch und Kathrin Hölzl sind vergangenes Jahr in technischen Disziplinen Weltmeisterinnen geworden. Im Slalom ist die Dichte ähnlich wie 1998. Ich glaube schon, dass das dem Skisport wieder einen Schub gegeben hat.

Gibt es diesen Schub auch bei den Männern durch Felix Neureuthers Weltcup-Sieg in Kitzbühel vor drei Wochen?

Wahnsinn, was das gleich ausmacht, wenn mal ein Deutscher gewinnt. Obwohl die Damen-Mannschaft ja wirklich stark ist, erregt es doch mehr Aufmerksamkeit, wenn bei den Herren nachgezogen wird.

Nach einigen Jahren, in denen die Alpinen im Schatten von Skispringern und Biathleten standen, holt Ihr Sport wieder auf.

Klar, nach 1998 kamen die Skispringer groß raus und Biathlon ist einfach bei den Leuten gut angekommen, die Erfolge waren auch gewaltig. Aber die bringen ja heuer, böse gesagt, fast nichts mehr zusammen. Es kann nicht immer nur bergauf gehen. Dafür geht es mit den Alpinen bergauf.

Sie sind bei Olympia als ZDF-Expertin im Einsatz. Hofft man beim Fernsehen auf steigende Einschaltquoten im Alpinbereich?

Gefühlt glaube ich schon, dass der Alpinsport auflebt. Neulich bei den Damen-Rennen in Maribor hatten wir Einschaltquoten wie zu besten Zeiten. Das sind dann über zwei Millionen Zuschauer. Man sieht, es geht in die richtige Richtung.

Wird Maria Riesch die Nachfolgerin von Hilde Gerg und Katja Seizinger?

Schön wär’s. Es ist natürlich von der Kati schon was vorgelegt worden. Sie hat zweimal den Gesamtweltcup gewonnen, drei Mal Gold bei Olympia. Aber Maria hat das Zeug dazu.

Trotz starker Mannschaft – der Druck lastet auch bei Olympia in erster Linie auf Maria Riesch. Wird sie damit fertig?

Bei Maria muss man schauen, ob sie die nötige Coolness hat. Aber das hat sie bei der WM in Val d’Isere schon bewiesen. Nach einer schlechten Speedwoche hat sie das im Slalom noch rausgerissen. Das war vom Mentalen her schon sehr stark.

Die deutschen Erfolge konzentrieren sich mehr auf die technischen Disziplinen. In der Abfahrt läuft es weniger gut. Woran liegt das?

Ein Punkt ist, dass man den jungen im Herbst kein Abfahrtstraining mehr bieten kann, weil es auf den Gletschern einfach nicht geht. Daher kommen die erst im Winter zum ersten Mal auf Abfahrtsski, fürchten sich, fahren über den ersten Sprung und tun sich weh. In meiner Jugend war ich im Sommer immer in Chile, da haben sie eine Abfahrtsstrecke, da haben uns die Trainer langsam herangeführt. In Europa ist das nicht richtig umsetzbar.

Ihre Ex-Kollegin Katharina Gutensohn tritt jetzt im Skicross an. Wäre das nicht auch was für Sie, die früher als „Wilde Hilde“ bekannt war?

Das fragt mein Mann auch schon. Kommt aber nicht mehr infrage. Ich brauche dieses Wettkampfgefühl nicht mehr. Für mich ist das abgeschlossen. Dass man nicht abschätzen kann, was die anderen neben einem machen, das mag ich nicht.

Das Gespräch führte Jörg Köhle.

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