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Der Basketballer Akeem Vargas ist im letzten Sommer vom Zweitligisten Göttingen zu Alba Berlin gewechselt.

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Interview mit Alba-Spieler: Vargas: "Ich habe gehört, dass ich unsportlich spielen soll"

Der Basketballer Akeem Vargas ist im letzten Sommer vom Zweitligisten Göttingen zu Alba Berlin gewechselt. Im Interview spricht der Deutsch-Amerikaner über den Start in die Play-offs, Aggressivität im Spiel und den Umbruch in seinem Verein.

Herr Vargas, es heißt, dass man in den Play-offs härter, intensiver, aggressiver spielen muss. Geht das bei diesem aktuellen Alba-Team überhaupt noch?
Wir müssen eher darauf achten, dass wir weniger Fehler machen. Wir spielen ja schon das ganze Jahr tough. Das müssen wir natürlich beibehalten.

Alba hat mit Pokalfinale jetzt zwölf Spiele in Serie gewonnen – was macht Sie so stark?

Wir spielen eine extrem aggressive Verteidigung. Viele Teams haben damit große Probleme und verlieren den Kopf. Wir spielen dazu offensiv gut und sind schwer auszurechnen. Es ist einfach unangenehm, gegen Berlin zu spielen dieses Jahr.

Woran liegt es, dass Teams gegen Alba in dieser Saison den Kopf verlieren?

Die Teams sind nicht gewohnt, ein ganzes Spiel über 40 Minuten so aggressiv zu spielen und den physischen Kampf annehmen zu müssen. Du kommst nach Berlin, weißt was auf dich zukommt und willst extrem physisch spielen. Aber irgendwann brichst du ein, plötzlich gibt es Rempler auf dem Spielfeld und Körperkontakt, den du nicht gewohnt bist – aber ohne Reaktion der Leute im Alba-Trikot.

Sie selbst stehen oft im Mittelpunkt von Auseinandersetzungen mit Gegenspielern.

Der Punkt ist, dass ich immer so gut verteidigen will, wie ich kann. Das geht vielen meiner Gegenspieler auf den Keks. Weil sie schon gegen Cliff Hammonds spielen müssen, der extrem physisch und schnell ist. Und dann kommt eben der Vargas, der schon vor jedem Einwurf oder Sprungball extrem nah an ihnen dransteht. Das ist meine Spielweise, das war auch in der Zweiten Liga oder in Jugend-Nationalteams nicht anders.

Sie waren an einigen Situationen beteiligt, nach denen Gegner disqualifiziert wurden.

Ich habe gehört, dass ich unsportlich spielen soll. Und extrem dreckig. Finde ich nicht, meine Foulbelastung ist ganz normal. In allen Situationen, in denen jemand rausgeflogen ist, hatte ich mich im Griff.

Mit welchem Anspruch gehen Sie aufs Feld?

Dass ich der beste Verteidiger in der Mannschaft sein will. In dieser Hinsicht hat mir Trainer Sasa Obradovic viele Tipps gegeben, die mich hoffentlich einmal zum „Defensive Player of the Year“ machen.

Gehören kleine Nickligkeiten zum Konzept?

Ich würde nicht von Nickligkeiten sprechen, sondern von „Toughness“, wie die Amerikaner sagen. Sasa will nicht, dass jemand dreckig spielt, sondern einfach nur tough ist. Wenn zwei Spieler Angesicht zu Angesicht stehen, sollen wir nicht diejenigen sein, die einen Schritt nach hinten gehen. Das ist auch eine Charakterfrage. Man braucht Eier in der Hose.

Das aktuelle Alba-Team erinnert ein wenig an die kompromisslosen Detroit Pistons, die 1989 und 1990 NBA-Champion waren.

Die Pistons waren die Bad Boys der Liga damals. Wenn wir als Bad Boys Meister werden, dann bin ich gerne der Bad Boy.

Vor drei, vier Jahren wären Sie als Zweitligaspieler kaum bei Alba gelandet. Oder Sie hätten ein Angebot abgelehnt, weil Sie eventuell nur auf der Bank gesessen hätten.

Natürlich war es ein Risiko. Auch für Alba, jemanden aus der Pro A zu holen. Bei unseren ersten Treffen hat Sasa gesagt: „Ich habe mit fünf Coaches über dich gesprochen. Alle sagen, dass du der härteste Arbeiter bist, den sie kennen. Das glaube ich nicht. Bis du es mir beweist.“ Damit hatte er mich, nach zwei Minuten.

Für einige Transfers wurde Alba kritisiert.

In Berlin hieß es: Das ist doch katastrophal, was will Alba mit jemandem aus der Pro A? Oder mit Jonas Wohlfarth-Bottermann, der in Bonn wenig gespielt hat? Zumal mit Heiko Schaffartzik das deutsche Gesicht gegangen war, der Berliner Junge. Aber man sieht, dass wir hart arbeiten und die Philosophie des Trainers umsetzen. Ich denke, die Fans sehen, dass der Umbruch nicht das Schlechteste war.

Wie groß ist Albas Druck in den Play-offs?

Der größte Druck kommt immer von Sasa. Uns wurde nicht viel zugetraut, nach dem Pokalsieg hat sich das geändert. Die Medien schreiben, vielleicht sei Alba doch oben dabei. Dann schlägst du Bamberg, schlägst Bayern, wirst plötzlich zum Favoriten gemacht. Wir versuchen einfach so zu spielen wie wir es das ganze Jahr tun.

Sie lobten Obradovic als besten Trainer der Liga. Er ist oft laut. Kann er auch anders?

Im Training ist die Tonanlage immer ein Schreien, voll aufgedreht. Danach ist er aber sehr ruhig, er nimmt uns Junge beiseite und erklärt viele Dinge – diesen Pass, jene Rotation. Er kann sehr geduldig sein.

Die Alba-Verantwortlichen werben um Geduld, beharren auf dem Halbfinale als Ziel.

Als Spieler will man immer nach dem Titel greifen. Das geht aber nur, wenn wir ins Halbfinale kommen. Natürlich hoffe ich, dass der große Wurf gelingt. Einen Titel haben wir. Aber jeder sieht, dass wir hungrig genug sind und den zweiten wollen.

Wo kommt Ihr persönlicher Antrieb her?

Ein bisschen durch meine Mama, die sich und mich als Alleinerziehende durchgeboxt hat. Wenn es nicht gut läuft, gibt es Leute, die lassen es ganz sein. Und es gibt Leute, die finden andere Wege. Deswegen hat es mich auch so gekabbelt, dass Sasa meine Arbeitseinstellung infrage stellte. Es gibt diesen Spruch: „Haters are my motivators.“ Ich lebe das. Das gibt mir den Drive, immer weiter zu machen. Auch in den Play-offs werde ich mir viel anhören müssen. Aber wenn du das Feuer in dir nicht verlierst, dann kann viel passieren.

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