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China ist bei den Paralympics bisher äußerst erfolgreich.

© imago images/Zuma Wire/OIS

Chinas Sportler von null auf 100: Ist es leichter, bei den Paralympics an die Weltspitze zu kommen? 

China ist plötzlich zur erfolgreichsten Wintersport-Nation geworden. Bei den Paralympics regnet es noch mehr Medaillen als zuvor bei den Olympischen Spielen. 

Von Mona Alker

An dieser Stelle berichtete das Team der Paralympics Zeitung, ein Projekt von Tagesspiegel und der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung. Alle Texte zu den Spielen rund um Peking finden Sie hier. Aktuelles finden Sie auf den Social Media Kanälen der Paralympics Zeitung auf Twitter, Instagram und Facebook.

Seit 2002 hat China bei Winter-Paralympics nur eine einzige Medaille geholt: Gold im Curling bei den Winterspielen 2018. Das galt zumindest bis zu diesem Jahr. Die Bilanz bei den Winterspielen in Peking bislang: zehn Goldmedaillen, neun Silbermedaillen, dreizehn Bronzemedaillen.  

Wie kann das sein, woher kommt der plötzliche Erfolg? Ein Aspekt ist sicherlich, dass China in den letzten Jahren massiv investiert hat – in ausländische Trainer, in Umschulungen von Sportlern, in Ausrüstung. „Mit der Vergabe der Spiele wurde ausgerufen: ‚Wir wollen hier erfolgreich sein.‘ Da wurden wahrscheinlich riesige Mengen Geld in die Hand genommen“, sagt der deutsche Chef de Mission, Karl Quade. Doch all das war auch im olympischen Bereich geschehen. Dort landete China am Ende auf Rang drei im Medaillenspiegel. Auch das war eine extreme Verbesserung im Vergleich zu Rang 16 bei den Spielen davor, aber mit neun Goldmedaillen lagen die Chinesen dennoch deutlich hinter der führenden Nation aus Norwegen (16 Goldmedaillen).

Ist es also einfacher, bei den Paraylmpics den Aufstieg in die Weltspitze zu schaffen? „Im paralympischen Bereich kämpfen im Vergleich zum olympischen Bereich insgesamt weniger Athletinnen und Athleten um die Top-Positionen. In einigen Sportarten und Disziplinen des paralympischen Sports kann man dadurch manchmal schneller an die Spitze kommen“, sagt Quade. Hinzu kommt, dass in China mehr als 85 Millionen Menschen mit Behinderung leben. „Wenn man dann zielgerichtet aussucht und trainiert, ist es nicht verwunderlich, wenn man daraus auch Spitze entwickeln kann“, erklärt DBS-Präsident Friedhelm Julius Beucher: „Jeden Tag kommt ein neues Wunder von ihnen auf die Piste.“ 

Staunen über Erfolg im paralympischen Ski Alpin 

Quade weist darauf hin, dass zwischen dem olympischen und paralympischen Erfolg durchaus differenziert werden muss. „Bei Olympia haben sie eher bei den spektakulären Flugshows gut abgeschnitten, weil sie dort im Sinne der akrobatischen Ausbildung eine Historie haben.“ Währenddessen hätten die Chinesen in Disziplinen wie Langlauf und klassischem Ski Alpin weniger gut abgeschnitten, weil dort eine entsprechende Tradition fehle. 

„Erstaunt bin ich etwas, dass sie bei den Paralympics auch im Ski Alpin so erfolgreich sind. Da muss man wirklich den Hut vor ziehen, wie schnell sie das gelernt haben“, sagt Quade. Teilweise sei das auch im stehenden Langlauf der Fall. In den sitzenden Klassen hingegen werde eine andere Technik verwendet, deshalb sei der Erfolg dort weniger überraschend. „Dort konnte man natürlich über intensive Trainingsprogramme über viele Jahre eine enorme Physis ausbilden.“  

Falsche Klassifizierungen? 

Zu den chinesischen Erfolgen gibt Quade jedoch zu bedenken, dass in einzelnen Fällen die Klassifizierung unglücklich ausgefallen sei. „Das ist nicht bei allen Starterinnen und Startern der Fall, und den Sportlerinnen und Sportler mache ich da auch keinen Vorwurf“, erklärt der Chef de Mission. Aber in einzelnen Fällen gebe es relativ auffällige Bewegungsmuster, die nicht zu den Funktionalitäten derer passten, die sonst in diesen Startklassen unterwegs seien. „Da gilt es nachzuhaken, ob das alles so richtig ist, oder ob man beim Klassifizieren vielleicht ein bisschen daneben lag.“ Das könne man jetzt allerdings nicht mehr regeln, weil gar keine Klassifizierer in Peking vor Ort seien. „Das müsste man im Nachhinein klären.“ 

Quade geht davon aus, dass China den Medaillenspiegel auch am Ende der Spiele anführen wird. „Die sind extrem breit aufgestellt und haben in allen Bereichen gute Sportlerinnen und Sportler am Start. Außerdem stellen sie mit Abstand die größte Mannschaft hier, da wird noch einiges zusammenkommen.“  

Hoher Druck bei chinesischen Sportlerinnen und Sportlern 

Bei den deutschen Sportlerinnen und Sportlern scheint die neue Spitzenform des chinesischen Teams gleichermaßen auf Bewunderung und Skepsis zu treffen. „Wir fragen uns alle, wo das plötzlich herkommt. Aber ihr Erfolgsrezept können sie uns gerne mal nach Deutschland schicken. Das können wir gut gebrauchen“, sagt Para-Skirennläuferin Andrea Rothfuss. Der Para-Skifahrer Leander Kress erzählt von den sehr harten Trainingsbedingungen. „Ich habe gehört, sie trainieren sieben Tage die Wochen sechs Stunden lang. Also ich würde das nicht schaffen.“ Der 21-Jährige befindet: „Wenn sie wirklich so hart trainieren, haben sie es auch verdient.“ Quade weist darauf hin, dass die Herangehensweise an den Sport eine ganz andere sei als in Deutschland. „Der Einzelne zählt da nichts, das Kollektiv ist alles. Alles wird zum Wohle des Staates gemacht.“ 

Doch mit dem Erfolg scheint ein unfassbarer Druck verbunden zu sein. „Ich habe mich nachts im Bett hin und her gewälzt. Mein Herz schlug so schnell, dass es mir fast aus dem Hals sprang“, sagte kürzlich die chinesische Langläuferin Hongqiong Yang. (mit dpa)

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