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Sport: Jan Koller: Die Giraffe mit dem Torinstinkt

Manchmal lästerten die Leute in dem Dorf Smetanowa Lhoda in Südböhmen, wenn Jan Koller abends nach dem Fußball-Training in die Kneipe kam. "Warum spielst du nicht Basketball, dann hast du auch keinen Ärger mehr mit den Fußballschuhen.

Manchmal lästerten die Leute in dem Dorf Smetanowa Lhoda in Südböhmen, wenn Jan Koller abends nach dem Fußball-Training in die Kneipe kam. "Warum spielst du nicht Basketball, dann hast du auch keinen Ärger mehr mit den Fußballschuhen." Die Bauern, die ihr Pils tranken, meinten es jedoch nie böse, weil Jan Koller, der Sohn eines Landmaschinenbauers, ein außerordentlich gutmütiger Kerl war, und ja auch ihre Traktoren und Geräte reparierte - aber Zweimeterundzwei und die gewaltigen Füße reizten eben zum Flachs. Ein Schlepper war in dieser Gegend einfacher zu kaufen als Fußballschuhe Nummer 14, nach altdeutschem Maß Größe 50.

Und auch als der Junge aus der Provinz in die Hauptstadt zog, um dort zu arbeiten, war der Spott nicht so ernst gemeint. Sparta spielt mit zwei Giraffen im Sturm, schrieben Prager Zeitungen über Jan Koller und dessen Kollegen Vladislav Lokvenc, nur vier Zentimeter kleiner. Dem damaligen Sparta-Trainer Jürgen Sundermann waren solche Sprüche egal, er hatte ja einst mit Dieter Hoeneß in Stuttgart schon einmal ein Kopfballungeheuer entdeckt. Für Lokvenc (der vor wenigen Tagen in Kaiserslautern unterschrieben hat) stellte Sundermann extra ein Kopfballpendel auf und verordnete ihm Übungen, bis ihm der Schädel brummte. Für Jan Koller aber war schon die Tatsache, dass er nun einen neuen Job hatte, wie ein Märchen, egal, ob er in der ersten Mannschaft nur Ersatz war. Ein Arbeitskollege hatte ihn zum Training des B-Teams gebracht, und innerhalb von vier Monaten hatte er den Sprung in den A-Kader geschafft. Er brauchte nun nicht mehr wie seine drei Brüder mit dem Schraubenschlüssel unter alte Trecker und ölige Ladewagen zu kriechen.

Zur Überraschung all seiner Landsleute aber steigerte sich die wundersame Story um Jan Koller noch. Warum ein anerkannter Spielervermittler den Einwechselstürmer von Sparta nach Lokeren vermittelte, wo es doch 1996 in Tschechien eine ganze Reihe Vizeeuropameister und Talente gab, hat sich anfangs niemand so recht erschlossen. Erst mit der Zeit, weil fast jede Woche ein Treffer des braven Jan Koller aus der belgischen Kleinstadt gemeldet wurde. Drei Jahre lang ging das so, dann verpflichtete der RSC Anderlecht den Torschützenkönig der belgischen Liga.

Irgendwann ruft bei so einer Karriere dann die Heimat; im Falle Jan Koller ergab es sich im Februar 1999 besonders günstig, weil er zu einem Freundschaftsspiel in Belgien eingeladen wurde. Selbstverständlich ließ es der Legionar und Lokalmatador dann auch krachen gegen die belgischen Kollegen; Beim Debüt sorgte der Riese prompt fürs Tor des Tages. Und in den vergangenen 15 Monaten hat Jan Koller eine Bilanz hingelegt, die nicht nur in Belgien und in Tschechien, sondern überall in Europa erstaunt: 13 Länderspiele, 13 Koller-Tore.

Um seine Fußballschuhe muss sich Jan Koller keine Sorgen mehr machen. Sie werden von zwei Weltfirmen, den Vertragspartnern vom RSC Anderlecht und des tschechischen Verbandes maßgefertigt für den wertvollen Hünen-Fuß. Vor dem Jungen aus dem böhmischen Dorf liegt eine goldene Zukunft; mehrere englische Klubs haben schon Of In Tschechien hat sich der liebenswerte, manchmal auch tapsige Bär vom Land gewaltigen Respekt verschafft. Die Wahl zum "Fußballer der Jahres" gewann er vor Pavel Nedved und Patrik Berger, den tschechischen Cracks von Lazio Rom und FC Liverpool. Aber was fast noch wichtiger ist. Im ganzen Nationalteam gibt es keinen einzigen, der Jan Koller nicht mag. Genauso wie früher auf dem Sportplatz, in der Kneipe oder dem Landmaschinengeschäft von Smetanova Lhoda.

Martin Hägele

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