zum Hauptinhalt
23. Eishockey-WM-Titel für Kanada

© dpa

Jeff Friesen: Der schüchterne Krieger

In den USA war er ein Star, dann kam der Absturz: Nun versucht Jeff Friesen in Berlin einen Neuanfang.

Von Katrin Schulze

Sieht so eine dumme Jugendsünde aus? Überhaupt nicht, sagt Jeff Friesen. Was sich der stämmige Mann mit dem Millimeterhaarschnitt so prominent eintätowieren ließ, hat durchaus eine Aussage. Kunst ist es vielleicht nicht, aber die braucht ein Eishockeyspieler auch nicht unbedingt. „21st century warrior“ steht tiefdunkel auf dem muskulösen linken Oberarm, direkt neben der farbigen Christusstatue von Rio de Janeiro. „Ein bisschen repräsentiert mich das Tattoo schon“, erzählt Friesen. „Ich bin ein Kämpfer und will immer alles geben.“ Dass die Eisbären nun tatsächlich einen Krieger des 21. Jahrhunderts angestellt haben, ist dann aber doch ein bisschen übertrieben, denn ganz so martialisch kommt der Kanadier nicht daher.

Friesen wirkt vor dem Saisonstart der Berliner eher noch ein bisschen schüchtern  – und er findet gar nicht genügend dankende Worte für seinen neuen Arbeitgeber. Überglücklich sei er, bei den Eisbären eine Chance zu bekommen, sagt Friesen. Das klingt bescheiden für Jemanden mit seiner Kompetenz. Ganze 977 Spiele hat der 33 Jahre alte Stürmer in der nordamerikanischen Profiliga NHL absolviert. „Von seiner unglaublichen Erfahrung können wir nur profitieren“, sagt Eisbären-Manager Peter John Lee, der Friesen für ein Jahr dank eines Telefonats mit Marco Sturm, dem deutschen Profi von den Boston Bruins, verpflichtet hat.

Sturm spielte für seinen Kumpel den Makler, indem er Lee davon überzeugte, Friesen zu einem Test einzuladen. Die Vermittlungshilfe war nötig, weil Friesen zuletzt zwei Jahre lang nicht professionell Eishockey hatte spielen können – eine Verletzung in der Leistengegend behinderte ihn. Von Arzt zu Arzt ist er in den USA und Kanada getingelt, bis er in Montreal endlich einen fand, der ihn erfolgreich behandelte. Gesundheitlich sei er mittlerweile bei einhundert Prozent angekommen. In Sachen Fitness aber hapert es noch. „Ich werde mich im Laufe der Saison steigern, um dem Team richtig zu helfen.“ Begeistert sind seine Kollegen und seine Trainer allerdings schon jetzt von ihrem berühmten Zugang.

Fragt man den Berliner Coach Don Jackson nach dem Neuen, muss er sofort anfangen, schallend zu lachen. Was daran so lustig ist? Jackson erinnert sich an Episode aus dem Jahr 2003, als er in der Funktion des Assistenztrainers bei den Ottawa Senators in den Play-offs gegen die New Jersey Devils antrat – mit einem gewissen Jeff Friesen. „Es war das siebte und entscheidende Spiel. Friesen machte einen unglaublichen Fehler, der uns die Führung bescherte“, erzählt Jackson. „Ich dachte, wir hätten es ins Finale um die Meisterschaft geschafft.“ Falsch gedacht. Denn Friesen machte gegen Ottawa nicht nur Fehler, sondern auch Tore – kurz vor Schluss schoss er den Treffer zum 3:2-Sieg. 

Es ist das Spiel, was der Kanadier heute als „das größte meiner Karriere“ bezeichnet. Kurz darauf gewann er mit den Devils den Stanley Cup. Ein Triumph, der für ihn jedoch nicht nur positive Seiten hat. „Seit ich klein bin, war es mein Traum, die Meisterschaft zu holen“, sagt Friesen. „Das Problem ist nur, dass du das dann jedes Jahr erreichen willst. Es ist schwer einzusehen, dass das nicht machbar ist.“ Seine tiefbraunen Knopfaugen wirken nachdenklich, zu seiner harten Fassade wollen sie jetzt mehr nicht so recht passen.„Hockey ist nun mal mein Leben“, sagt er. „Ich bin verdammt ehrgeizig.“

Mit fünf Jahren wurde Friesen von seinen Eltern aus dem kleinen Örtchen Meadow Lake in der kanadischen Provinz Saskatchewan zum Eishockey geschickt, obwohl er sich damals lieber Scooby-Doo im Fernsehen anschauen wollte. Aber Friesens Eltern handelten in weiser Voraussicht, von da an ging es mit der Karriere ihres Sohnes nämlich nur noch aufwärts – bis die schwere Verletzung an der Leiste aufkam. Seitdem ist Friesen bodenständiger geworden. „Die Gehaltschecks fallen in Deutschland natürlich spärlicher aus als in der NHL“, sagt der Kanadier. „Aber das ist nebensächlich. Für mich geht es erstmal nur darum, wieder einen Titel holen.“

Manchmal zeigt er sich eben doch noch. Der kleine Krieger in Jeff Friesen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false