zum Hauptinhalt

Sport: Jörg Schwanke: Funkstille in der Provinz

Das Knistern wird lauter, die letzten Wortfetzen gehen im Rauschen unter. Von Jörg Schwanke, im Auto unterwegs, ist nicht mehr viel zu hören.

Das Knistern wird lauter, die letzten Wortfetzen gehen im Rauschen unter. Von Jörg Schwanke, im Auto unterwegs, ist nicht mehr viel zu hören. "Merken sie es?" ruft er ins Handy. "Ich komme Ahlen immer näher." Dann piept es. Die Leitung ist unterbrochen.

Der Fußballprofi Jörg Schwanke ist in der westfälischen Provinz gelandet. Umgeben von Kühen, Weiden und ein paar alten Zechen. Schwanke kickt dort beim Verein Leichtathletik- und Rasensport Ahlen, derzeit Spitzenreiter der Zweiten Bundesliga. Am Freitag reist der 32-Jährige zurück in seine Heimatstadt, nach Berlin. Einen Tag später trifft er mit LR Ahlen in der Alten Försterei auf seinen ehemaligen Klub, den 1. FC Union, derzeit Tabellenvierter. Bei Union stand Schwanke bereits zweimal unter Vertrag, zuletzt vor gut einem Jahr. Als die Köpenicker den Aufstieg in die Zweite Liga vergeigten, wechselte Schwanke aufs Land.

Der Schritt in die Provinz passt nicht zu ihm. "Berlin ist unglaublich, grandios. Hier fühle ich mich wohl", sagte er Mitte Juni noch im "Kicker". Einige Tage später unterschrieb er in Ahlen. Schwanke war verbittert. Er hatte einen neuen Dreijahresvertrag gefordert, Unions Vereinspräsident Heiner Bertram bot ihm einen Einjahresvertrag. "Es war wochenlang ein einziges Hin und Her", sagt der ehemalige DDR-Auswahlspieler, der zur Jugendsportschule des Rekordmeisters BFC Dynamo gehört hatte. "Unions Angebot war mir nicht gut genug." Er war schließlich schon 31 Jahre alt, die Karriere nähert sich dem Ende, ein Einjahresvertrag war ihm zu wenig. "Bei zwei Jahren hätte ich sofort Ja gesagt." Doch wieder zögerte Union. "Es ging letztendlich nur um ein paar hundert Mark", sagt Schwanke.

Seine Forderung hält er für angemessen. Er hatte beim VfL Bochum Bundesligaerfahrung gesammelt, war bei Union Publikumsliebling und auch Mannschaftskapitän. "Der Trainer wollte es eben anders", sagt Präsident Bertram heute. Schwanke hätte schließlich bleiben können. "Nur eben für ein Jahr."

Schwanke war kein bequemer Spieler, das sagt er selbst. "Ich galt als Problemfall. Ich habe immer den Mund aufgemacht. Ich war Kapitän und habe die Interessen der Mannschaft vertreten. Notfalls bis aufs Messer." Beliebt hat er sich dadurch nicht gemacht. "Er macht sich des öfteren durch Bemerkungen interessant, die nicht immer vereinskonform sind", sagte Bertram damals. Gestichelt haben beide Seiten. "Wir hatten aber kein schlechtes Verhältnis", sagt Bertram heute und drückt sich diplomatisch aus: "Er ist ein sehr charismatischer Mensch."

An dem defensiven Mittelfeldspieler waren auch Energie Cottbus und Hannover 96 interessiert gewesen. Doch er sagte beiden ab wie dem 1. FC Union. "Das Angebot aus Ahlen war einfach sensationell", sagt Bertram. "Da konnten wir nicht mithalten." In Ahlen hatte Schwanke bereits Mitte der Neunziger Jahre gespielt. Der 1. FC Union hatte ihn zuvor vom VfL Bochum geholt, musste Schwanke damals aber aus Geldnöten nach Ahlen verkaufen. Im November 1997 zog es ihn wieder zurück in die Heimat. Seine Frau Helen war schwanger, die Kleinstadt war nichts für sie. Schwanke kickte zunächst bei Babelsberg 03 in Potsdam, bekam aber kein Gehalt. Nach zwei Spielen wechselte er wieder zurück zum 1. FC Union. "Das ist wirklich ein sensationeller Verein", sagt er. Trotz der sehr guten letzten Saison, als Ahlen zwischenzeitlich sogar um den Aufstieg mitspielte, könne der Provinzklub mit Union nicht mithalten. "Union ist mit seinem Umfeld gewachsen." Ahlen hat vor ein paar Jahren noch in der Vierten Liga gespielt. Besonders viel Fans hat so ein Verein nicht.

Schwankes Vertrag in Ahlen läuft aus. Er ist nur noch Ersatzspieler. Er würde gerne noch einmal in Berlin spielen. Seine Familie wohnt in Prenzlauer Berg. Nach Ahlen wollen sie nicht noch einmal ziehen. "Und ich wollte auch eigentlich gar nicht weg aus Berlin." In Ahlen nämlich, "da ist nichts, rein gar nichts", sagt Schwanke. "Um 18 Uhr ist es hier zappenduster." Keine Clubs, keine Disko, keine Szenebars. Und das Netz fürs Mobiltelefon ist auch ziemlich bescheiden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false