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Sport: Jubel nur nach dem Abseitstor

Die Fußballerinnen von Turbine Potsdam verpassen durch ein 0:0 gegen Frankfurt den Meistertitel

Babelsberg. Die Fotografen waren gnadenlos. Je mehr Elend, desto besser. Einen halben Meter Abstand hielten sie zu den Potsdamer Fußballerinnen, die entnervt auf dem Rasen des Karl-Liebknecht-Stadions hockten oder lagen. Daneben standen ein paar volle Biergläser, doch damit hätten die Spielerinnen allenfalls ihren Frust runterspülen können. Zu feiern gab es nichts, nach dem 0:0 am letzten Bundesligaspieltag gegen den 1. FFC Frankfurt. Ein Unentschieden, das eine Niederlage war. Potsdam, mit zwei Zählern Rückstand auf die Hessinnen ins Spiel gegangen, hätte siegen müssen, um Meister zu werden. Stattdessen ist die Mannschaft nur Zweiter. Wie 2001. Wie 2002.

Vor der Haupttribüne stiegen nach Spielschluss gelbe Luftballons in den Himmel mit der Aufschrift „Ein super Gefühl“ - gemeint war allerdings „Wohnen in Potsdam“. Kurz zuvor waren 7900 Zuschauer tatsächlich jubelnd von ihren Plätzen aufgesprungen. Die Nachspielzeit lief, als Petra Wimbersky das 1:0 erzielte. Sie ist die Frau für späte Tore bei Turbine Potsdam. Schon in den beiden Partien zuvor hatte sie in der 90. Minute getroffen. Potsdam war Meister! Die Stürmerin riss die Arme hoch, auf der Tribüne fiel Potsdams Oberbürgermeister Jann Jacobs dem Brandenburger Ministerpräsidenten Matthias Platzeck um den Hals. Nationalspielerin Ariane Hingst dachte erst, „dass es Abseits war, dann habe ich gedacht, ich kann ja erst mal jubeln – aber das war schnell vorbei“. Dann nämlich, als die Linienrichterin die Fahne hob. Es war tatsächlich Abseits.

Die besseren Nerven würden die Partie entscheiden, hatte Potsdams Mittelfeldspielerin am Tag vor dem Spiel prophezeit. Sie sollte Recht behalten. In der 84. Minute kam sie vier Meter vor dem Frankfurter Tor frei zum Schuss – und verfehlte.

Wenig später tanzten die Frankfurterinnen, die sich durch den Titelgewinn die Teilnahme am Uefa-Cup sicherten, eine Polonäse und kippten ihrem Manager Siegfried Dietrich einen Eimer Wasser über den Kopf, während dieser mit seinem Handy telefonierte. Sie ließen sich selbst durch Pfiffe vieler Fans bei der Siegerehrung nicht beirren.

Wer Erster und wer Zweiter war – die Blumen verrieten es. Die Gäste durften rote Rosen schwenken, die Gastgeberinnen hielten sich an gelben fest. Einzige Ausnahme war Turbines Torhüterin Nadine Angerer, der ein kleines Mädchen eine rote Rose in die Hand drückte. Fröhlicher machte es die Torfrau nicht, die mit mehreren glänzenden Paraden einen Frankfurter Treffer verhindert hatte.

Der Titel „ist unser zweitwichtigster Sieg nach dem Uefa-Cup-Gewinn 2002“, sagte Dietrich, „das ist eine Sensation, dass wir es trotz unserer Ausfälle geschafft haben“. Mehrere Spielerinnen gingen angeschlagen in die Partie, die besten – Birgit Prinz, Steffi Jones und Sandra Minnert – fehlten. Sie stehen mittlerweile bei US-Profiteams unter Vertrag. Vor zwei Wochen hatte Frankfurt durch ein Duisburger Eigentor in vorletzter Minute bereits den DFB-Pokal geholt.

Potsdam hatte eine halbe Stunde dominiert, war zweikampfstark und begeisterte mit Offensivfußball. Doch das jüngste Team der Liga, im Schnitt knapp 21 Jahre alt, brachte den Ball nicht im Netz unter. „Als das Tor nicht gelungen ist, haben einige der jungen Spielerinnen Courage und Selbstbewusstsein verloren“, analysierte Trainer Bernd Schröder. Der Druck war zu groß, Konzentration und Kondition schwanden. Nach der Pause spielte bis zur 80. Minute nur noch Frankfurt. Potsdam erlahmte, die Spielerinnen ebenso wie die Fans.

Zu Saisonbeginn hatte Turbine beim 3:4 in Bad Neuenahr die einzige, die entscheidende Niederlage in der Bundesliga eingesteckt. Bad Neuenahrs Trainerin Doreen Meier, einst DDR-Nationalspielerin unter Schröder, „hat sich in der Presse mehrmals für diesen Sieg entschuldigt“, erzählte Potsdams Coach. Eine nette Geste. Aber kein Trost.

Helen Ruwald

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