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Sport: Jürgen Röber: Ein Opfer des Erfolgs

Das Schlimmste ist, wenn die Leute den Respekt vor einem verlieren. Vielleicht hat das auch Jürgen Röber so empfunden, als Eduard Geyer, der Trainer des FC Energie Cottbus, am Dienstagabend einen Stürmer nach dem anderen einwechselte.

Das Schlimmste ist, wenn die Leute den Respekt vor einem verlieren. Vielleicht hat das auch Jürgen Röber so empfunden, als Eduard Geyer, der Trainer des FC Energie Cottbus, am Dienstagabend einen Stürmer nach dem anderen einwechselte. Es stand 0:0 gegen Hertha BSC, und vor einigen Wochen noch hätten Mannschaften wie Cottbus in einer solchen Situation alle Mann am eigenen Strafraum versammelt, um diesen einen Punkt zu verteidigen. Und heute? Wenn man nicht mal mehr gegen Hertha gewinnt, gegen wen denn dann?

Viel Respekt ist Jürgen Röber in den letzten Tagen nicht mehr zuteil geworden. Die "BZ" forderte ihn gestern auf: "Treten Sie heute zurück!" Das erinnert ein wenig an die Weltmeisterschaft 1994, als die "Bild"-Zeitung ein erfundenes Rücktrittsgesuch von Bundestrainer Berti Vogts druckte - mit der Aufforderung "Unterschreiben Sie hier!"

Man mag solche Auswüchse als Begleiterscheinungen einer Branche abtun, in der es längst um viel mehr geht als um schönen Sport. Fußball ist ein großes Geschäft geworden, und jeder, der den geschäftlichen Erfolg gefährdet, muss um seinen Job fürchten. Nach gängiger Meinung enthalten die guten Gehälter in dieser Branche immer schon eine vorsorgliche Schmutzzulage. Das erklärt einiges, entschuldigt aber längst nicht alles.

Als Röber am Dienstagabend in einem grausamen Spiel seiner Mannschaft den allerletzten Respekt zu verlieren drohte, haben Herthas Fans in Cottbus gesungen "Jürgen Röber, du bist der beste Mann". Dem Mann aus dem einfachen Volk wird ein ausgeprägtes Rechtsempfinden nachgesagt. Herthas Anhänger haben den Umgang mit Röber als unwürdig empfunden. Der Verein hat ihm viel zu verdanken. Mit ihm als Trainer ist Hertha aus den Niederungen der Zweiten Liga in die Champions League aufgestiegen, und das in nicht einmal vier Jahren. Manchem ging das nicht schnell genug.

Im Dezember haben Hertha und Röber ihre Trennung zum Saisonende bekannt gegeben. Gleich danach haben sich viele Experten zu Wort gemeldet, die ganz genau erklären konnten, warum eine solche Konstellation niemals funktionieren werde. Von "künstlichen Bedenkenträger" hat Manager Dieter Hoeneß gesprochen.

Die künstlichen Bedenkenträger haben Recht gehabt.

Ob sie Recht behalten mussten, beweist die Trennung von Röber jedoch nicht. Für das Scheitern von Röber gibt es viele Gründe. Dass er von seinen Spielern nicht mehr ernst genommen wurde, ist mit Sicherheit nicht der wichtigste. Vielmehr fehlte dem Kader ganz einfach die Qualität, um die hohen Ansprüche an den ersten Verein der Hauptstadt zu erfüllen. Am Anfang der Saison war von "der besten Hertha aller Zeiten" die Rede. Davon spricht schon lange niemand mehr.

Sebastian Deisler, Herthas bester Fußballer, ist seit Monaten verletzt, Stefan Beinlich sucht nach seinen Verletzungen immer noch seine Form, Michael Preetz hat seit November nicht mehr getroffen, auf Alex Alves hofft niemand mehr, und zu schlechter Letzt hat sich auch noch Marcelinho seine ganz private Formkrise genommen. Röber hat mit begrenzten Mitteln vor der Winterpause das Optimale erreicht. Nach dem Ausfall seines Stars Sebastian Deisler hat er das Kollektiv gestärkt: Die Mannschaft schien endlich die rechte Balance gefunden zu haben.

Neun Spiele blieb Hertha vor der Winterpause ohne Niederlage. Diese Erfolge waren der Maßstab für Röbers letztes halbe Jahr in Berlin. Am Ende ist er ein Opfer seines eigenen Erfolges geworden. Die Relationen haben sich verschoben: Wer im Dezember noch gegen Bayern gewonnen hat, darf im Februar eben nicht gegen Cottbus verlieren. Röbers letzte Personalentscheidungen zeugten von Unentschlossenheit. Gegen Energie brachte er Daei für Preetz; Rehmer, Sverrisson und van Burik spielten auf Positionen, auf denen sie noch nie gespielt hatten. Die einzige Erkenntnis: Was Preetz im Moment nicht kann, kann Daei noch lange nicht.

Röber hatte keine andere Wahl. Natürlich sah es am Ende so aus, als sei er in Aktionismus verfallen; hätte er hingegen nichts gemacht, wäre ihm genau das vorgehalten worden. Jürgen Röber war längst in einer Situation, in der er nicht mehr viel richtig machen konnte. Die Vereinsführung auch.

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