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Sport: Jurist trifft Querkopf

Ingo Borkowski heuert im Starboot von Marc Pickel an

Berlin. Zwei Wochen Urlaub im Januar – die hatte Ingo Borkowski eigentlich nicht nehmen wollen, schließlich war er erst im Dezember für ein paar Tage in Irland gewesen. Nun ging es außerplanmäßig nach Florida, und vielleicht muss er im Sommer noch mal zwei Wochen nach Griechenland reisen. Das hat der Segler vom Grünauer Yachtklub dem Kieler Marc Pickel zu verdanken. Der ist Starboot-Segler und hatte ein kleines Personalproblem. Ausgerechnet am Heiligen Abend hatte ihm sein Vorschoter Tony Kolb eröffnet, dass er sich in Zukunft lieber um seine Familie als um die Olympia-Qualifikation für Athen kümmern wolle. Pickel war wie vor den Kopf geschlagen: „Ich hatte ihn immer wieder gefragt, ob er auch nach der Geburt seines Kindes die Entbehrungen der Olympiavorbereitung auf sich nehmen würde. Immer wieder hat er mir gesagt, dass dann alles beim Alten bleibt.“

Nun blieb nichts beim Alten, sodass Pickel „auf die Schnelle einen fertigen Segler“ suchte. Das war nicht ganz einfach, denn der Neue musste nicht nur zum launischen Kieler passen, sondern auch in eine etwas komplizierte Formel. Da Pickel 108 Kilo wiegt, musste sein neuer Kollege so um die 96 Kilo mitbringen. So schreibt es das Reglement im Starboot vor. „Da blieben nicht mehr viele übrig, und da ich Ingo schon vom damaligen Airosail-Projekt kannte, habe ich mich ganz schnell für ihn entschieden“, sagt Pickel.

Ingo Borkowski hatte Glück: Sein kurzfristiger Urlaubsantrag wurde genehmigt, am Freitag flog er mit Pickel nach Miami. Ob der Jurist sich allerdings mit allen Freiheiten auf Olympia vorbereiten kann, wird sein Arbeitgeber entscheiden, der Brandenburger Landtagschef Herbert Knoblich. Vorerst werden die zwei Segler überprüfen, ob zwischen ihnen überhaupt die Chemie stimmt. Mit Marc Pickel hat es kein Vorschoter leicht, obwohl er versichert, „dass ich mittlerweile reifer und damit gelassener geworden bin“. Bei den Olympischen Spielen vor vier Jahren in Sydney sah das noch ganz anders aus. Da hatte sich Pickel mit dem Finn-Segler Michael Fellmann eine handgreifliche Auseinandersetzung geliefert und war darauf ein Jahr lang für die Nationalmannschaft gesperrt worden. „So etwas würde mir heute nicht mehr passieren“, versichert Pickel, und auch sein neuer Partner sieht da kein Problem: „Ich bin doch ein Stoiker, das passt schon.“ Zu Gerüchten, dass sein Vorgänger Kolb wegen erheblicher Differenzen aus dem Starboot gestiegen sei, mag er sich nicht äußern. Pickel selbst sagt nur: „Ich weiß wirklich nicht, warum der Tony ausgestiegen ist.“

Während man sich beim Grünauer Yachtklub diebisch darüber freut, einen Olympiakandidaten mehr im Boot zu haben, hat die neue Crew einen dicken Batzen an Problemen zu bewältigen. Die Entscheidung von Borkowskis Arbeitgeber steht noch aus, und auch die finanzielle Seite ist noch nicht geklärt. Der Berliner gehört keinem Kader des Deutschen Seglerverbandes (DSV) an. „Den Flug nach Miami habe ich aus eigener Tasche bezahlt. Ich hoffe, dass ich das Geld von Marc zurückbekomme. So sind wir verblieben, und unter Seglern zählt das gesprochene Wort“, sagt Borkowski. Immerhin versichert Hans Sendes, der DSV-Sportdirektor: „Sobald die beiden im Starboot die Kriterien der Olympianorm erfüllt haben, wird Ingo Borkowski in den Olympiakader berufen.“ Pickels persönlicher Trainer Espen Stokkeland werde jedenfalls „bis Mitte Mai tageweise auf Honorarbasis vom DSV finanziert“.

Doch es sind nicht nur logistische Probleme, die das neue Starboot-Duo meistern muss. Auch die sportliche Herausforderung ist gewaltig für Pickel/Borkowski. Erst einmal müssen sie sich im eigenen Land gegen die Boote des Bremerhaveners Michael Koch und des früheren Weltmeisters Alexander Hagen aus Hamburg durchsetzen. Und dann fehlt dem DSV in dieser Bootsklasse auch noch der Nationenplatz für Olympia. Die letzten drei Plätze werden Anfang Mai vor Gaeta in Italien vergeben. „Für uns heißt es also, schnell von null auf hundert zu kommen“, sagt Marc Pickel. Gestern saßen sie vor Miami bereits gemeinsam im Boot – den lieben langen Tag.

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