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Fanliebling und Lautsprecher. Tim Wiese (l.) feiert mit dem Bremer Anhang. Foto: dpa

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Sport: Kampfansage als Hilfeschrei

In Bremen wird Tim Wiese geliebt, in der Nationalelf vermisst er eine Lobby

Es gab am Samstagabend ziemlich viele Menschen, die in den Amüsierkneipen Bremens ein grellgelbes Torwart-Trikot zur Schau trugen. Das hauteng geschnittene Shirt passt zwar nicht wirklich jedem Fan von Werder Bremen, doch nächtlichen Gesprächsstoff liefert das Stück Stoff sofort. Die Bewohner der Stadt mögen Tim Wiese, den in Bergisch Gladbach geborenen, kapriziösen Keeper mit dem vorlauten Mundwerk. Und das, obwohl das hanseatische und das rheinländische Temperament sich ungefähr so ähnlich sind wie die Charaktere von Joachim Löw und Torsten Frings.

Doch längst ist der seit 2005 an der Weser beschäftigte Schlussmann dabei, zu dem Kultstatus aufzusteigen, den einst Torhüter wie Günter Bernard, Dieter Burdenski oder Oliver Reck erlangten. Genau wie jene Schlussleute ist auch Wiese schon ein Tormann des Bremer Volkes geworden; „Wiese auf den Zaun“, rief die Ostkurve, nachdem das 1:1 im Nordderby gegen den Hamburger SV den dritten Platz und damit die Champions-League-Qualifikation beschert und Wiese dabei überragend gehalten hatte. Lange bitten ließ sich der Modellathlet natürlich nicht, ersparte sich diesmal aber eine per Megafon getätigte HSV-Schmähung wie vor einem Jahr.

Die forschen Töne hob sich Wiese für die Journalisten auf, wobei zweifelhaft ist, ob ihm das Gesagte im Kampf ums deutsche WM-Tor weiterhelfen wird. „Ich gebe jede Woche meine Visitenkarte ab“, sagte Wiese, „aber scheinbar habe ich in diesem Land keine Lobby. Ich werde so lange kämpfen, bis mir das Blut aus den Ohren tropft.“ Eine Kampfansage, die gleichzeitig wie eine Hilfeschrei klang.

Auch Klaus Allofs ahnt, dass intern die DFB-Entscheidung längst gegen seinen reaktionsschnellen Tormann gefallen ist: „Ich hoffe auf einen fairen Wettbewerb: Die Fakten sprechen für ihn“, sagte Bremens Sportchef. „Deutschland müsste keine Angst haben, wenn er beim ersten Spiel in Südafrika im Tor stehen würde.“ Gar nicht verstehen würden Wiese wie Allofs dagegen, sollte Jörg Butt als lachender Dritter aus dem neu eröffneten Torwart-Dreikampf hervorgehen.

Insofern gewinnt das DFB-Pokalendspiel zwischen den Bremern und den Bayern zusätzlich an Brisanz. Die Münchner seien natürlich in Berlin der Favorit, „aber nicht haushoch“, insistiert Allofs. Werder, Wiese, ja eigentlich ganz Bremen will am nächsten Samstag noch einmal ein bundesweit beachtetes Ausrufezeichen setzen, „gegen die vielleicht beste Mannschaft Europas“, wie Thomas Schaaf sagt. Der Trainer wirkte zum Bundesliga-Finale so erleichtert und entspannt wie selten und blickte voller Vorfreude auf den nächsten emotionalen Höhepunkt. „Wir werden alles geben, damit wir am Ende richtig jubeln können“, versprach Schaaf.

Selbstkritik nach dem mauen Auftritt gegen Hamburg verboten sich die Bremer allein deshalb, „weil wir ein Ziel erreicht haben, das eigentlich nicht mehr zu erreichen war“, wie es Per Mertesacker ausdrückte. Ganze 16 Punkte betrug zeitweise der Rückstand auf Bayer Leverkusen. Doch nun kommt Werder doch wieder in die Champions League und damit an mindestens 15 Millionen Euro Einnahmen heran – vorausgesetzt, die unmittelbar vor und nach dem ersten Spieltag angesetzten Qualifikationsspiele gegen Kaliber wie Celtic Glasgow, Ajax Amsterdam oder Zenit St. Petersburg werden überstanden.

Wie wichtig das ist, daran lässt Allofs keine Zweifel: „Die Champions League ist die wirtschaftliche Basis, um diese Mannschaft auch zu finanzieren.“ Den Torwart mit Starpotenzial inklusive.

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