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Sport: Kandidat in letzter Minute

Wenn Guy Drut noch zugelassen wird, könnte es zur Kampfabstimmung um den Wada-Vorsitz kommen

Berlin - Diese Wahl schien die Welt-Anti-Doping-Agentur Wada zu haben: entweder keinen Präsidenten zu bekommen oder einen ahnungslosen. Entsprechend groß war die Aufregung vor der Wahl an diesem Samstag bei der dritten Welt-Anti-Doping-Konferenz in Madrid, es gab Krisensitzungen, Notfallpläne wurden entworfen, und die besorgte Frage schwebte über der Konferenz: Wie kann der Kampf gegen den Betrug im Sport mit solch einem Mann überhaupt geführt werden: John Fahey, 62 Jahre alt, Australier, und mit dem Sport und seiner größten Herausforderung, dem Doping, so gut wie nicht vertraut?

Jetzt könnte die Wada wohl diese Wahl haben: einen ahnungslosen Präsidenten zu bekommen oder einen kundigen, allerdings vorbestraften. Denn am Freitag erklärte der Franzose Guy Drut überraschend: „Ich wäre bereit, wenn es hilft, die Situation zu klären.“ Drut gewann 1976 Olympiagold im Hürdensprint, von 1995 bis 1997 war er Frankreichs Sportminister. Auch im Internationalen Olympischen Komitee saß er, wurde aber 2005 suspendiert, nachdem ihn ein französisches Gericht wegen Beteiligung in einer Parteispendenaffäre zu einer Bewährungsstrafe verurteilt hatte. Inzwischen hat das IOC die Suspendierung aufgehoben.

Es könnte an diesem Samstag allerdings nur zu einer Kampfabstimmung kommen, wenn Druts Bewerbung vom Wada-Foundation-Board noch angenommen wird. Eigentlich ist die Meldefrist abgelaufen. Dazu sagte Wada-Präsident Richard Pound am späten Freitagabend, dass Fahy einziger Kandidat bleiben würde. „Da gibt es keine Möglichkeit, den Nominierungsprozess noch einmal zu eröffnen“, sagte Pound.

Es wird eine höchst politische Entscheidung. Denn das Wada-Foundation-Board, das den Präsidenten wählt, besteht zur einen Hälfte aus Vertretern des Sports und zur anderen aus Vertretern von Regierungen. Nachdem Pound aus dem Sport kam, ist nun turnusgemäß ein Kandidat der Politik an der Reihe.

Es waren die Europäer, die so lange nach einer Alternative zu Fahey gerufen hatten, bis Drut den Ruf erhörte. In einer Sitzung am Donnerstagabend reifte wohl der Plan, Drut ins Rennen zu schicken. Die Zweifel an Fahey waren den Europäern zu groß. Fahey war bis 2001 Finanzminister seines Landes und fiel im Sport bislang nur als Vorsitzender des Bewerbungskomitees für die Olympischen Spiele in Sydney auf. Nachdem Fahey sich am Wochenanfang europäischen Regierungsvertretern vorgestellt hatte, erklärte Christoph Bergner, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium: „Ich habe es nach der Anhörung noch mehr bedauert, dass Europa keinen eigenen Kandidaten aufgestellt hat.“ Tatsächlich hatten die Europäer einen eigenen Bewerber, den französischen Sportminister Jean-Francois Lamour. Doch der zog zurück, als Fahey seine Bereitschaft zur Amtsübernahme erklärte und sprach von einer „angelsächsischen Verschwörung“. Die Europäer versuchten daraufhin sogar, Pound zu überreden, noch ein Jahr an seine Präsidentschaft dranzuhängen. Doch der 65 Jahre alte Steueranwalt aus Kanada lehnte ab und nannte auch Lamours Verschwörungstheorie unsinnig.

Immerhin kann sich Pound, der bald Präsident des Internationalen Sportgerichtshofs Cas werden könnte, durch die Debatte um seine Nachfolge geschmeichelt fühlen. Pound galt als ausgezeichnete Besetzung, der Olympiasechste im Schwimmen kam aus dem Sport, und zeigte dennoch ausreichend politisches Durchsetzungsvermögen, um den Wada-Code 2003 zu etablieren und den Regierungen genug Geld abzuringen, damit die Wada auf ihr Jahresbudget von 23 Millionen Dollar kam. Vor allem aber überwand er die Harmonie der Sportfamilie und legte sich wenn nötig mit Verbänden an. Seine Kritik formulierte er oft sehr medienwirksam. Über den bei der Tour de France erwischten Floyd Landis sagte Pound, der habe so viel Testosteron im Körper gehabt, „dass er jede Jungfrau im Umkreis von hundert Meilen hätte vergewaltigen müssen“. mit dpa

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