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Sport: Karibik statt Alpen

Jenseits von Europa sucht England Trost

Von Markus Hesselmann

Politisch ist England hin- und hergerissen zwischen Europa und Amerika. Im Zweifel ist der Ärmelkanal breiter als der Atlantik, wenn es um die Entscheidung zwischen USA oder EU geht. Auch sportlich ist dieser Sommer eher etwas für Euroskeptiker und Transatlantiker. Nach verpasster EM-Qualifikation sucht England jenseits von Europa Trost. Am Mittwoch bauten die USA ihre einstige Kolonialmacht mit einem 0:2 (0:1) unter Freunden in Wembley wieder auf. Und während sich Europas Nationalteams in Richtung Alpen orientieren, tritt England am Sonntag in der Karibik gegen Trinidad und Tobago an, eine weitere frühere britische Kolonie.

Als Italiener sind Fabio Capello diese historischen Hintergründe fremd. „Es war vor allem wichtig zu gewinnen“, sagte Englands Nationaltrainer nach dem USA-Spiel. „Wir gehen glücklich in Urlaub.“ Urlaub? Es steht doch noch ein Spiel an, in dem sich England schon wegen der im Team wieder zart keimenden Moral keine Niederlage erlauben sollte. Doch Capello schickt sieben seiner Stars vorher in Ferien. Sie alle waren beim Moskauer Champions-League-Finale dabei, jenem Spiel zwischen Manchester United und dem FC Chelsea, das den Unterschied in der Leistungskraft zwischen Klubs und Nationalteam auf der Insel noch einmal schmerzhaft verdeutlichte.

Auch John Terry wird geschont. Vor allem er ist froh, die Saison nicht mit einem Misserfolg zu beenden. Sein Kopfball-Tor zum 1:0 gegen die USA macht seinen Elfmeter-Fehlschuss in Moskau zwar nicht wett. Doch immerhin gab der Treffer dem Verteidiger Anlass zu kraftvollen Worten. Er habe gezeigt, dass er ein „big man“ sei, sagte Terry. Capello hatte ihn zum Kapitän auf Probe ernannt. Ob dies zur Dauerlösung werden könnte, wollte Capello allerdings nicht sagen.

Ein Ex-Kapitän verkörpert derweil die „special relationship“ (besondere Beziehung) zwischen England und den USA wie kein anderer: David Beckham. Der Star leistet Entwicklungshilfe in Amerika – zuletzt mit einem Tor aus 60 Metern im Spiel seiner LA Galaxy gegen Kansas City – und will weiter für England spielen. Wie wertvoll der 33-Jährige ist, zeigte sein Freistoß, der zu Terrys Tor führte. Doch zur Halbzeit kam der 23-jährige David Bentley für Beckham – ein Hinweis auf einen schleichenden Übergang .

Engländer lieben es, auch auf den ersten Blick nicht weltbewegenden Ereignissen geschichtliche Größe zu verleihen. Im Programmheft war die Rede von Wembley als Schauplatz „eines weiteren historischen Moments im englischen Fußball“. Gemeint war nicht das epochale Sportereignis jenes Mittwochabends. Es ging um „The Vision“, einen Vierjahresplan des Fußballverbands, in Wembley verabschiedet. Als „Major Milestones“ werden der Aufbau einer nationalen Fußballakademie für Nachwuchsspieler und ein Programm schon für Fünfjährige genannt sowie die „erfolgreiche Bewerbung um die WM 2018“. Das Spiel in Trinidad gilt dafür als Werbung. Zumindest hier wird die besondere Beziehung zu Amerika auf die Probe gestellt. Denn die USA wollen dieselbe WM.

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