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Routine ohne Rolle. Während junge Skispringer wie Severin Freund und Richard Freitag schwächeln, reicht es bei Martin Schmitt nicht mehr für das Team. Foto: dapd

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Sport: Keine Rolle ohne Routine

Die Halbzeitbilanz der deutschen Skispringer bei der Vierschanzentournee fällt durchwachsen aus.

Es sollte ein Witz sein, aber es klingt wie ein brutaler Rauswurf. „Martin Schmitt fährt definitiv nach Hause“, sagte Bundestrainer Werner Schuster in einem Nebenzimmer eines Hotels in Garmisch-Partenkirchen, „einen Wachser haben wir schon, einen Servicemann, einen Masseur und einen Doktor auch – wir haben keinen Platz frei mehr für ihn“. Deutlicher kann man nicht ausdrücken, dass Schmitt nicht mehr gebraucht wird. Als Skispringer sowieso nicht.

Wenn der 33 Jahre alte Schmitt irgendwann auf seine lange und erfolgreiche Karriere zurückblickt, dürfte das Neujahrsspringen 2012 von Garmisch-Partenkirchen den Anfang vom Ende seiner Sportlerlaufbahn markieren. Er zählt nach seinem 38. Platz nicht mehr zu den sechs besten deutschen Springern und darf nicht an den abschließenden Springen der Vierschanzentournee morgen in Innsbruck (Qualifikation, heute, 16.30 Uhr, live im ZDF) und Bischofshofen (Freitag) teilnehmen. Dort sollen Severin Freund und Richard Freitag das Ziel, einen Podestplatz für das deutsche Team, endlich umsetzen.

„In Oberstdorf haben Severin Freund 0,3 Punkte auf Rang drei gefehlt, in Garmisch-Partenkirchen ein ganzer Durchgang“, sagt Schuster. Mit dem Sieg in der Gesamtwertung haben seine Springer kaum noch etwas zu tun, dort hat sich der österreichische Doppelsieger Gregor Schlierenzauer (557,8 Punkte) von seinem Landsmann Andreas Kofler (535,6 Punkte) und dem überraschend starken Japaner Daiki Ito (532,3) schon etwas abgesetzt. „Die Routine haben wir noch nicht, um um den Gesamtsieg mitkämpfen zu können“, sagt der Bundestrainer, „aber wir wollen im Tagesgeschäft eine entscheidende Rolle spielen.“

Doch auch das ist seinen Springern bisher nicht gelungen. Freund hatte nach seinem ersten Sprung in Garmisch-Partenkirchen als Zweitplatzierter sehr gute Chancen – und fiel mit einem verpatzten zweiten Durchgang auf Rang sieben zurück. Vor der Weiterfahrt nach Innsbruck zeigte der Fünftplazierte im Gesamtklassement der Tournee sich trotzdem nicht verstimmt. „Wenn man weiß, dass man einen Sprung versemmelt hat, und trotzdem Siebter wird, dann kann man sehr zufrieden sein“, sagt der 23-Jährige in seiner bedächtigen Art. Sein Bundestrainer wird sogar fast euphorisch, obwohl die Zahlen eine andere Sprache sprechen. „Ich sehe sogar die Perspektive, dass er in absehbarer Zeit mal wieder gewinnen kann“, sagt Schuster. Freund sei in den vergangenen Monaten „lockerer geworden, seitdem er begriffen hat, dass er einer der zehn besten Skispringer der Welt sein kann.“ Auch Stephan Hocke (18. der Gesamtwertung), Andreas Wank (24.), Maximilian Mechler (34.) und Michael Neumayer (35.) bescheinigt der Trainer, im Soll zu sein. Im Gegensatz zu Richard Freitag.

Der 20-Jährige hat die Lockerheit verloren, die ihn vor der Tournee auszeichnete und zu einem Mitfavoriten gemacht hatte. Rang zehn und Rang 25 in den ersten beiden Springen sind eine Enttäuschung. „Es ist ein bisschen viel eingeprasselt auf den Burschen, er hatte viel Zeit zum Nachdenken“, sagt Schuster. „Er springt nicht mehr mit der gleichen Technik wie vorher, aber es dauert nicht mehr lange, dann kommt er wieder.“ Wieder einmal erweist sich, dass Routine und Erfahrung bei der Tournee entscheidende Faktoren sind. Der Trainer vertraut seiner Fähigkeit als Sportpsychologe. „Ich werde versuchen, Richard Freitag einzureden, dass Innsbruck eine Schanze ist, auf der er fantastisch springen kann“, sagt Schuster, nur, „er glaubt’s mir noch nicht“.

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