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Sport: Keine Zeit zum Heulen

Er hatte diese Frage erwartet. Die Frage, was sich in seinem Kopf abgespielt habe, als er zum Matchball aufschlug.

Er hatte diese Frage erwartet. Die Frage, was sich in seinem Kopf abgespielt habe, als er zum Matchball aufschlug. 14:12 hatte der SC Charlottenburg im fünften Satz gegen den Deutschen Volleyballmeister VfB Friedrichshafen geführt. Und Jan Günther, der 25-jährige Außenangreifer des SCC, hatte es in den Händen, seine Mannschaft im zweiten Finalspiel nach dem 3:2-Auswärtserfolg zum zweiten Sieg zu führen. Doch Günthers Sprungaufgabe blieb an der Netzkante hängen. Es stand nur noch 14:13 gegen den Titelverteidiger vom Bodensee. Die Männer von VfB-Trainer Stelian Moculescu nahmen den Fehler dankend an und schafften nach zwei Stunden mit dem 3:2-Erfolg (23:25, 24:26, 25:17, 25:20, 17:15) doch noch ihren ersten Sieg über die Berliner. Play-off-Stand: 1:1. Wer zuerst dreimal gewonnen hat, darf sich Meister nennen. Fortsetzung heute um 15 Uhr wieder in der Sporthalle Sömmeringstraße, wo gestern 2000 Zuschauer beide Teams mit stehenden Ovationen verabschiedeten.

Und was sagte nun Jan Günther? "Mir schossen viele Gedanken durch den Kopf. Was mache ich mit der Aufgabe? Volles Risiko oder auf Sicherheit?" Am Ende wurde es ein Fehler, der dem Serienmeister Friedrichshafen einen Punkt ohne Aufwand bescherte. Er könne sich "wahnsinnig ärgern", sagte Günther, "zu viel überlegt zu haben". Daran hatte auch VfB-Trainer Moculescu Anteil, denn er hatte durch eine Auszeit vor dem Service Günthers Bedenkzeit verlängert.

Während jener sein Missgeschick schnell verarbeitet zu haben schien, saß bei Marco Liefke die Enttäuschung tiefer. Der überragende Spieler der Gastgeber, die im ersten Durchgang noch einen 14:21-Rückstand zum Satzgewinn umdrehten, aber eine 2:0-Satzführung nicht über die Zeit retten konnten, meinte nach der Niederlage: "Zum Glück bleibt keine Zeit zum Heulen. Wir haben ja am Sonntag eine weitere Chance zum Angriff auf den Favoriten. " Der 133fache Nationalspieler hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben, nach einem DDR-Jugendmeistertitel, einer Meisterkrone in Belgien und dem Pokalsieg mit dem SC Charlottenburg im Jahre 2000 nun endlich Deutscher Meister zu werden.

Das übrigens gelang dem früheren Charlottenburger Björn Andrae im Vorjahr mit dem VfB. Gestern schien der Jungnationalspieler, körperlich noch nicht ganz fit, mit zahlreichen Fehlern zum "siebenten Mann" des SCC zu werden. Doch seine letzten zwei Schmetterschläge zum 17:15 in der Verlängerung des Tiebreaks saßen. Und bestätigten die Worte seines Coachs Moculescu: "Das Spiel hat gezeigt: Wir kommen immer wieder ins Spiel zurück."

Ernst Podeswa

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