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VfL Wolfsburg - Borussia Dortmund

© dpa

Knapp vor Bayern: Wolfsburg auf der Flucht nach vorn

Mit Angriffslust verteidigt der VfL Wolfsburg den Zwei-Tore-Vorsprung auf die Bayern. Auch das Restprogramm spricht für das Team des scheidenden Trainers Felix Magath.

So unaufgeregt hat sich wahrscheinlich noch keine Stadt aufgemacht, Deutscher Fußballmeister zu werden. Gut eine Stunde nach dem 3:0-Sieg des VfL Wolfsburg über Borussia Dortmund fädeln sich die Profis des VfL Wolfsburg mit ihren Touaregs unauffällig in die Autoschlange am Vip-Parkplatz ein, die lauschige Promenade am Mittellandkanal ist menschenleer und der Hauptbahnhof ungefähr so belebt wie der S-Bahnhof Messe-Nord nach einem Heimspiel von Tennis Borussia. Eher geschäftsmäßig nimmt die kleine Stadt am großen VW-Werk zur Kenntnis, was sich da am Dienstagabend vor ihren Augen angekündigt hat: nicht weniger als eine der größten Überraschungen der deutschen Fußballgeschichte.

Zwei Spieltage vor Saisonschluss steht Wolfsburg noch immer auf Platz eins der Tabelle. Bei noch ausstehenden Spielen gegen Hannover 96 und Werder Bremen, zwei Mannschaften aus dem Niemandsland der Tabelle, erscheint es keineswegs verwegen, auf einen Meister aus der ostniedersächsischen Provinz zu setzen.

Das beschauliche Wolfsburg bildet einen hübschen Kontrast zu dem Fußball, den seine prominentesten Bürger in diesen Tagen spielen. Sie kennen weder Maß noch Mäßigung und stürmen drauflos, als gäbe es kein Morgen. Dass der Gegner an diesem drittletzten Bundesligaspieltag zuletzt siebenmal in Folge gewonnen hat – und wenn schon, irgendwann muss jede Serie zu Ende gehen, und wenn nicht gegen uns, gegen wen sonst? Das Wolfsburger Selbstbewusstsein wirkt grenzenlos, auch nach dem demütigenden 1:4 am Samstag in Wolfsburg, vielleicht sogar deswegen. „Nach Stuttgart standen wir schon ein wenig unter Druck“, sagt Grafite und erklärt, dass sie dieses Problem auf ihre Weise gelöst hätten: Mit stürmen, stürmen, stürmen, denn „jetzt geht es nicht mehr nur darum, Tore zu schießen. Sondern auch darum, viele Tore zu schießen.“

Und das kann in der Bundesliga keiner so gut wie der Brasilianer Grafite, der scheinbar zufällig immer dort steht, wo der Ball gerade hinrollt, -fliegt oder -hüpft. Ein einwandfreies Tor hat ihm der Schiedsrichter abgepfiffen, Grafite hat nur halbherzig protestiert, im sicheren Wissen darum, dass er später noch einmal zuschlagen würde, was ihm prompt auch gelang. 24 Tore hat er in dieser Saison schon erzielt, sein gegen Dortmund zweimal erfolgreicher Nebenmann Edin Dzeko kommt auf 22. Die Hälfte der 18 Bundesligateams (Stand vor den Spielen am Mittwochabend) hat in dieser Saison insgesamt weniger Tore geschossen als die beiden Wolfsburger Stürmer.

Nicht nur Grafite weiß, dass das Torverhältnis noch wichtig werden kann im Kampf um die Meisterschaft. Zwischenzeitlich war der FC Bayern bis auf ein Tor dran am VfL Wolfsburg, der Stadionsprecher hat es durchgesagt. Der VfL aber nahm den Zwischenstand aus München als zusätzliche Motivation und erhöhte noch einmal das Tempo. Mit dem Ergebnis, dass Dzeko kurz vor Schluss das 3:0 schoss und seiner Mannschaft den Zwei-Tore-Vorsprung auf den Tabellenzweiten erhielt.

Auch diese Reaktion sagt einiges über das Selbstbewusstsein des Spitzenreiters. Diese Wolfsburger Mannschaft ist so gefestigt, dass sie sich durch nichts aus der Ruhe bringen lässt. Nicht mal das Versteckspiel um den Wechsel ihres Trainers Felix Magath hat sie nachhaltig irritiert. „Das Spiel in Stuttgart war ein Ausrutscher“, sagt Außenverteidiger Marcel Schäfer. Magath selbst spricht mit dem ihm eigenen spöttischen Unterton davon, „dass viele uns schon vor dem Spiel auf der Verliererstraße gesehen haben, die haben sich getäuscht“, denn: „Die Mannschaft ist intakt!“

Am Samstag nun tritt der Spitzenreiter beim niedersächsischen Nachbarn Hannover 96 an, und Magath ist es gar nicht recht, „dass es für die Hannoveraner um nichts mehr geht, die können ganz locker aufspielen“, und solche Gegner seien bekanntlich die gefährlichsten. Der angriffslustige Mittelfeldspieler Christian Gentner mag lieber positiv denken und spricht von „einem hochinteressanten Derby“. So, so, ein hochinteressantes Derby zwischen Wolfsburg und Hannover. Vor einem Jahr noch hätte Genter gute Chancen gehabt, mit dieser Bemerkung im Hohlspiegel eines Hamburger Nachrichtenmagazins zu landen.

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