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Sport: Knight wurde gefeuert: Eine Ära geht zu Ende

Wieder und wieder konnte Präsident Clinton den bohrenden Fragen der Journalisten zur Immobilien-Affäre Whitewater ausweichen. Dann war das rettende Ufer für ihn erreicht.

Wieder und wieder konnte Präsident Clinton den bohrenden Fragen der Journalisten zur Immobilien-Affäre Whitewater ausweichen. Dann war das rettende Ufer für ihn erreicht. "Ich glaube, wir müssen aufhören. Jeder will das Spiel sehen." So gewiss sich damals die Journaille eines handfesten Präsidenten-Skandals auch war, dieses Schlusswort setzte der Pressekonferenz wirksam ein Ende. Denn tatsächlich wollte jeder das Spiel sehen, und der Präsident ganz besonders; schließlich spielte die Mannschaft seines Heimatstaates, die Arkansas Razorbacks. Das Ereignis, das nicht nur im Frühjahr 1994 den Terminkalender des Weißen Hauses und von Millionen Amerikanern bestimmte, wird in den sportverrückten USA treffenderweise als "March Madness" bezeichnet. Es ist die alljährliche Endrunde der College-Basketball-Meisterschaft, ausgetragen seit 1939. Meschugge im März - nur vom Superbowl, dem Endspiel der Football-Meisterschaft, lässt sich die Sportnation in ähnlichen Aufruhr versetzen.

1994 war ein besonderes Jahr, nicht nur, weil das Team der University of Arkansas seinen ersten Turniersieg errang. Sondern auch deshalb, weil es das letzte Jahr war, das halbwegs erfolgreich für eine amerikanische Trainer-Institution und seine Mannschaft verlief. Robert Knight kam mit seinem Basketballteam der Indiana University immerhin unter die "Sweet Sixteen", doch das Achtelfinale bedeutete gleichzeitig das Ende für die Hoosiers. Und den Anfang vom schleichenden Untergang des Basketballtrainers, dessen harsche Persönlichkeit ihm den Spitznamen "The General" einbrachte. In den folgenden Jahren machten die Hoosiers vor allem durch Misserfolge oder durch Eskapaden ihres Trainers Schlagzeilen. Jetzt wurde Knight nach 29 Jahren im Traineramt gekündigt.

Robert Knight ist einer der erfolgreichsten Basketballtrainer in den Vereinigten Staaten. Er gewann viermal die College-Meisterschaft, einmal davon als Spieler, und führte 1984 als Nationaltrainer die USA zu olympischem Gold in Los Angeles. Damals noch als Coach von einem Haufen College-Boys, unter ihnen Michael Jordan, und nicht als Reisebegleiter eines Dream Teams. Seine Methoden waren jedoch seit jeher umstritten. Er begegnete seinem Umfeld mit einer schroffen, oft zynischen Art, die regelmäßig empörte Reaktionen hervorrief. So musste sich der Spieler Pat Knight während eines Heimspiels der Hoosiers Schimpftiraden von seinem eigenen Vater anhören, die in einem Fußtritt gipfelten. Einer Fernsehjournalistin verdeutlichte Knight die Situation seiner Spieler mit einem besonders drastischen Vergleich: Wenn eine Vergewaltigung unvermeidbar sei, "sollten sich die Frauen entspannen und es genießen". Sein tyrannisches Wesen ließ einige scheitern, doch für viele bedeutete es Ansporn.

Der Beschluss des Präsidiums der Indiana University, sich von seinem prominentesten Angestellten zu trennen, löste Tumulte im Ort und heftige Reaktionen landesweit aus. 3000 Studenten fanden sich spontan auf dem Campus-Gelände in Bloomington zusammen und forderten statt des Abgangs von "Bobby" Knight den des Universitätspräsidenten Myles Brand. Der hatte die Entlassung mit Knights "trotzigem und feindseligem" Verhalten begründet. Die Studenten witterten indes eine Verschwörung. Ihre Loyalitätsbekundungen nahmen gewaltsame Formen an. Es kam zu Festnahmen. Die Verschwörungstheorie gründet sich auf einem Videoband, das der Nachrichtensender CNN im März diesen Jahres ausstrahlte. Darauf ist zu sehen, wie Bob Knight während einer Trainingseinheit einen Spieler für einige Sekunden am Hals packt. Die Brisanz liegt darin, dass die Videoaufnahme bereits drei Jahre alt ist und ausgerechnet kurz vor Beginn der Endrunde der Meisterschaft gesendet wurde. Zumal die Hoosiers in diesem Jahr die beste Hauptrunde seit langem gespielt hatten.

Im Mai reagierte die Universität auf die Filmsequenz mit der Ankündigung einer "Null-Toleranz-Politik", die sie gegenüber Knight von da an verfolgen wollte. Der Trainer habe diese letzte Chance nicht genutzt. "Sein inakzeptabeles Benehmen führte er seitdem nicht nur fort, sondern steigerte es", rechtfertigt sich Brand, der sich sogar beim Gouverneur von Indiana Rückendeckung für die Präsidiumsentscheidung geholt hatte. Auch der Vorfall, der schließlich die Kündigung auslöste, birgt Pikantes. Ein "Freshman" (Student im ersten Jahr an der Universität) grüßte den Trainer mit einem despektierlichen "Hey, was geht ab, Knight?". Daraufhin brachte der 59-Jährige dem 19-Jährigen Manieren bei. Nicht ohne Obszönitäten und Gewalt, behaupten die einen, lautstark, aber in vertretbarer Weise, die anderen. Fest steht jedoch, dass der Student Stiefsohn eines Radiomoderators ist, der zu den größten Kritikern von Knight zählt.

Die Kündigung hat einer langen, erfolgreichen Trainerkarriere in einem äußerst Basketball-begeisterten Staat ein unrühmliches Ende gesetzt. Und ihre Vorgeschichte gibt zusätzlich einen faden Beigeschmack. Nicht nur sein roter Pullover, den Knight bei jedem Spiel der Hoosiers trug und der in seiner Heimat bekannt ist wie hierzulande Genschers gelber Pullunder, hat bei den Amerikanern Kultstatus. Es ist sein gesamtes Erscheinungsbild, das ihn als monomanen Basketball-Philosophen erscheinen lässt. Der Videoband-Skandal war weder sein erster noch sein letzter Skandal. Doch bohrenden Fragen zu seinen Affären wird Bob Knight niemals ausweichen. Trotzdem wird er sie wirksam abprallen lassen. An seiner Wahrheit. Der einzigen Wahrheit.

Felix Modelsee

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