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Sport: König ohne Macht

Dirk Lange steht als Schwimm-Bundestrainer vor der Ablösung. Er ist eine Reizfigur, aber die Probleme des deutschen Schwimmens gehen viel tiefer. Sie liegen in Eitelkeiten und Selbstzufriedenheit

Berlin - Im Januar 2011 hatte der Deutsche Schwimmverband (DSV) in Potsdam einen besonderen Lehrgang angeboten. Ausländische Langstrecken-Spezialisten kamen und waren bereit, mit den deutschen Spitzenleuten zu trainieren. Den Lehrgang leitete Jörg Hoffmann, der frühere Welt- und Europameister über 1500 Meter, jetzt Trainer in Potsdam. Italiens Stars gingen unter seiner Regie ins Wasser. In der einen Woche wurde nach deutschen Plänen trainiert, in der anderen nach italienischen. „Die Idee war es, unseren Leuten mal ein Training zu bieten, bei denen sie sehen konnten, wie starke Ausländer trainieren. Das Ganze hatte überhaupt keinen Wettkampfcharakter“, sagt Hoffmann.

Und? Wer besuchte den Lehrgang?

„Die Ausländer waren alle da“, sagt Hoffmann ironisch. Und die Deutschen? „Die Hälfte hat abgesagt.“ Hoffmann erhielt Atteste, mehrere deutsche Langstreckler waren plötzlich krank geworden. Krank – Hoffmann schnaubt verächtlich. Sie hatten Angst, sich zu blamieren, das schwingt bei ihm als Erklärung mit.

Eine kleine Episode nur aus der Welt des DSV, aber sie gehört zur Diskussion und zum Streit um Schwimm-Bundestrainer Dirk Lange, dessen Ablösung wohl unmittelbar bevorsteht. Sicher, Lange ist der sportlich Verantwortliche, er ist auch verantwortlich für das eher bescheidene Abschneiden der Deutschen bei der WM im Sommer, aber die Probleme im deutschen Schwimmen, die gehen viel tiefer.

Lange hat vieles angeregt, er hat Lehrgänge für die Spezialisten der einzelnen Schwimmstile angeboten, er hat die Athleten zu vielen Wettkampfeinsätzen animiert, er fördert Lehrgänge wie den von Potsdam, aber er ist ein König ohne große Macht. Er ist auf die Mitarbeit vieler Fürsten, der Bundesstützpunkttrainer, angewiesen. Die müssen ihre Athleten zu Lehrgängen wie den in Potsdam schicken. Aber diese Regionaltrainer haben ihre eigenen Vorstellungen, sie hüten ihre Athleten, damit die ja nicht wechseln, weil die Bedeutung des eigenen Stützpunkts von der Zahl der Kaderathleten abhängt. Außerdem ist mancher Stützpunkttrainer zugleich Heimtrainer eines Vereins. Und dieser Klub hat oft eigene Pläne mit seinen Athleten. Sollen Athleten zu Lehrgängen abgestellt werden, „dann fühlen sich viele Trainer bevormundet“, sagt Hoffmann. Für den Weltmeister von 1991 ducken sich verantwortliche Trainer bei schlechten Ergebnissen zu sehr weg. „Früher war Beckmann an allem schuld, dann Madsen, jetzt ist es Lange.“ Ralf Beckmann und Örjan Madsen hatten früher die sportliche Verantwortung.

Das nächste Problem: Lange und sein Chef Lutz Buschkow, der Leistungssportdirektor des DSV, können nicht miteinander. Das ist fatal, weil Lange auf dem Papier zu Buschkows engsten Beratern gehört. Doch nach Langes Ansicht lässt Buschkow diversen Athleten zu viele Freiräume. Im Gegenzug ist Lange aus Buschkows Sicht wohl nicht genug Diplomat. Auch bei der Behandlung des Falles Steffen waren sie unterschiedlicher Meinung. Doppel-Olympiasiegerin Britta Steffen war vorzeitig von der WM abgereist, Lange hätte den Fall möglichst schnell mit einer klaren Entscheidung über Sanktionen erledigt. Stattdessen zog sich die Diskussion wochenlang hin.

Selbstverständlich ist Lange eine Reizfigur. Er hatte Weltstars am Becken trainiert, aber als Bundestrainer muss er vor allem reden, überzeugen, vermitteln. Lange kann das nur bedingt. „Er reißt mit dem Hintern wieder ein, was er mit den Händen aufgebaut hat“, sagt ein DSV-Trainer. Ein anderer erfahrener Coach sagt: „Er ist stark am Beckenrand. Aber als Bundestrainer ist er falsch besetzt.“

Hoffmann erklärt es so: „Da werden Trainingsmodelle kritisiert, obwohl sie gut sind. Sie werden kritisiert, weil sie von Lange kommen.“ Der Bundestrainer selbst lehnt jeden tiefergehenden Kommentar ab. Aus Hoffmanns Sicht suchen diverse deutsche Athleten zu wenig den Vergleich mit internationalen Größen, stattdessen betrieben sie Nabelschau. „Die gehen nach Hause und sagen: Ich bin super geschwommen. In Wirklichkeit haben sie den größten Käse abgeliefert.“

Er wird im Januar wieder einen Lehrgang mit internationalen Stars anbieten. „Und dann warte ich, bis wieder die Krankschreibungen eintreffen.“

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