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Sport: Komische Sache

Steffi Nerius gewinnt Bronze im Speerwerfen – und wundert sich über die Konkurrenz

Paris. Vor dem letzten Durchgang war sich Steffi Nerius sicher, dass „jetzt alle durchdrehen“. Die Russin Schikolenko, die Kubanerinnen Menendez und Bicet oder auch die Schwedin Ingberg, halt alle, die den Speer schon viel weiter geschleudert haben als in diesem Wettkampf. Und dann, nach dieser letzten gewaltigen Kraftdemonstration der anderen, würde sie, Steffi Nerius von Bayer Leverkusen, ohne Medaille dastehen. Noch hatte sie, nach dem fünften Durchgang, Bronze.

Aber die anderen drehten nicht durch, Steffi Nerius holte Bronze mit 62,70 m, hinter der Griechin Mirela Manjani (66,52 m) und Tatjana Schikolenko, der Russin (63,28). Sie hätte sich nun ausgelassen freuen können, immerhin hatte sie ja nun wenigstens ein bisschen die Ehre der Sportnation gerettet nach den ganzen Pleiten bei der Leichtathletik-WM. Aber Steffi Nerius sagte, „dass diese Medaille einen Beigeschmack hat“. Weil es ein „komischer Wettbewerb war“. Sie meinte das niedrige Niveau. Bronze mit 62,70 m, das ist sie nicht gewohnt. Bei der WM 2001 warf die Dritte 64,69 m, bei der WM 1999 waren es 66,06 m. Im vergangenen Jahr ist Steffi Nerius Vize-Europameisterin geworden, und sie sagt: „Natürlich wiegt WM-Bronze mehr als EM-Silber“, aber es klang, als hätte sie verkündet, ein neuer Trabbi sei ihr lieber als ein gebrauchter Mercedes der S-Klasse.

Nur, interessiert das wirklich? Das Niveau, auf dem sie Bronze erreichte? Es interessiert nicht wirklich, entscheidend war die Medaille als solche. Die musste her. Steffi Nerius versuchte, den Druck nicht an sich herankommen zu lassen, unter den sie jeden Tag ohne deutsche Medaille stärker geriet. Aber sie stieß immer wieder auf Zeichen, die ihre Rolle markierten.

Astrid Kumbernuss, die dreimalige Weltmeisterin im Kugelstoßen, die in Paris im Vorkampf versagte, kam im Athletendorf weinend auf Nerius zu. Die Speerwerferin nahm sie tröstend in den Arm. Und sie musste in dieser Sekunde den Gedanken wegschieben, ob man sie denn einen Tag später, nach ihrer Qualifikation, auch in den Arm nehmen müsste. Stunden vor dem Speerwurf-Finale tauchte Nerius im Wettkampf-Büro des deutschen Verbandes auf. Ein Stapel deutscher Zeitungen lag herum. „Soll ich sie lesen?“, fragte sie Cheftrainer Bernd Schubert. Nein, lieber nicht, antwortete der Coach.

Es ging dann ja noch alles gut. Und überhaupt ist die WM für Steffi Nerius nur die Generalprobe für ihren wahren Auftritt: die Olympischen Spiele. Sie will die Goldmedaille, sagt sie. Sie ist jetzt 31, es ist ihre letzte Chance. In Sydney 2000 landete sie nur auf Platz vier. Aber Steffi Nerius hat nur eine Bestleistung von 65,76 m. „Für Gold benötigt man aber 67,68 m“, sagt sie. Dann denkt sie an die Griechinnen, und dann korrigiert sie sich. „Mit sicheren 70 Metern hat man den Sieg in Athen.“

Es ist das alte Thema. Die Griechen und ihre mysteriöse Saisonplanung. Mirela Manjani, die Weltmeisterin, ist in diesem Jahr ein einziges Mal aufgetaucht, beim Europacup. „Mich ärgert, dass die einen Wurf in der Qualifikation machen und ansonsten nie auf der Bildfläche erscheinen“, sagt Nerius. Sie hat das Diskuswerfen der Frauen beobachtet. Da habe eine Griechin geworfen, die sonst auch abtauche. „Da wusste ich, was beim Speerwerfen auf uns zukommt“, sagt Nerius. Mehr sagt sie natürlich nicht, sie selbst wirft auch Weltklasseweiten. Und sonst würde sie ganz schnell selber beargwöhnt. „Aber man sieht eben, dass die einen Hammer-Armzug haben und staunt darüber.“

Aber nicht immer ist der Armzug hammerhart genug. Aggeliki Tsiolakoudi hat den Speer schon 63,14 m weit geworfen. Bei der WM-Qualifikation aber scheiterte die Griechin mit 56,66 m. Steffi Nerius nahm sie anschließend nicht in den Arm.

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