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Kommentar: Abriss der goldenen Brücken

Michael Rosentritt freut sich über den Konkurrenzkampf und mehr Leistung in der Nationalelf.

Es scheint ein wenig in Mode gekommen zu sein, von fehlendem Respekt zu sprechen. Erst flüchtete Kevin Kuranyi wegen angeblich mangelnden Respekts seitens des Bundestrainers Joachim Löw aus der Nationalmannschaft. Jetzt macht sich Torsten Frings aus diesem Grund öffentlich Gedanken darüber, ob er seine Karriere im DFB-Team nicht besser beenden solle. Das ist nicht nur sein gutes Recht, sondern sogar seine Pflicht. Ein Spieler wie er, der im hohen Maße von seiner Physis lebt, muss sich jenseits der 30 prinzipielle Sorgen machen. Nur ganz außergewöhnliche Fußballer oder Torhüter können damit später beginnen. Beides trifft auf Frings bei aller Wertschätzung nicht zu.

Frings ist vielmehr ein Fußballer, ein verdienter sogar, der über seinen Ist-Leistungszustand in die Nationalelf kommt. Seine Leistung ist gut, deswegen war er auch zuletzt dabei. Dabei gilt es zu beachten, dass andere, jüngere Spieler sich entwickeln. Man kann nicht nur jüngere Spieler heranführen, sie dann aber nicht überholen lassen. Fußball ist Leistungssport – es liegt in der Natur der Sache, dass es zu einem Verdrängungswettbewerb kommt. Frings war bislang immer ein Verfechter des Leistungsprinzips. Genau das wird jetzt angelegt. Wie soll Löw die Entwicklung der Mannschaft vorantreiben, wenn er dabei nicht personelle Veränderungen vornehmen darf? Und wie, bitte schön, sähe die Alternative aus? Löw hätte die Nationalelfkarriere von Frings für beendet erklären können. Das tat er bewusst nicht. Der Spieler sei ihm wichtig, und vielleicht wird er es tatsächlich noch.

Dem Bundestrainer ist in Sachen Aufstellung gegen Russland und Wales kein Vorwurf zu machen. Die, die aufliefen, waren gut und erfüllten ihre Aufgabe. Vermutlich wäre es auch gut gegangen, wenn Frings statt Hitzlsperger gespielt hätte. Doch mit Blick auf taktische Überlegungen sprach einiges für Hitzlsperger.

Mit fehlendem Respekt hat das alles nichts zu tun. Respekt hatte der Bundestrainer gerade Spielern wie Frings, Metzelder und Lehmann bereits vor der EM entgegengebracht. Er baute ihnen goldene Brücken und ließ sie spielen, obgleich alle drei nicht in Bestform waren aufgrund zahlreicher Verletzungen oder fehlender Spielpraxis. Wenn, dann ist Löw vorzuwerfen, bei der EM zu sehr nach Namen und Verdiensten aufgestellt zu haben, nicht aber die Rigorosität von heute. Das zwischenzeitliche Aussetzen des Leistungsprinzips holt beide, Frings und Löw, jetzt ein.

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