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Kommentar: Ballacks Kapitänsbinde: Ein Stück Stoff

Nur die Deutschen glauben noch an Führungsspieler. Stefan Hermanns über Michael Ballack, den letzten Kapitän der Nationalmannschaft.

Arsène Wenger, der Trainer des FC Arsenal, hat sein fußballerisches Credo einmal in den griffigen Satz gepackt: „I don’t believe in leaders, I believe in good passers.“ Zu Deutsch: Ich glaube nicht an Führungsspieler, ich glaube an gute Passspieler. Wenger zählt zu den klügsten Köpfen im Weltfußball, und seine Ansicht darf ohne Übertreibung als herrschende Meinung bezeichnet werden. Mit einer Ausnahme: Die Deutschen wollen sich ihren Glauben an Führungsspieler einfach nicht austreiben lassen.

Das ist der Grund, warum die Debatte um Michael Ballack und seinen Platz in der Nationalmannschaft mit ermüdendem Eifer geführt wurde: Sie rührt am Selbstverständnis des deutschen Fußballs, an dessen heiliger Tradition. Der Erfolg der Nationalmannschaft ist immer als Erfolg ihrer Führungsspieler begriffen worden. Ballack ist der letzte Vertreter einer bedeutenden historischen Linie, die in Fritz Walter, Franz Beckenbauer und Lothar Matthäus über die Jahrzehnte glänzende Regenten hervorgebracht hat. Diese Linie könnte nun aussterben.

Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass Ballack weiterhin offiziell als Kapitän der Nationalmannschaft geführt wird. Viel mehr als ein Stück Stoff wird ihm nicht bleiben, zumal seine Bestätigung im Amt an einen entscheidenden Vorbehalt geknüpft ist: Ballack muss spielen, um Kapitän zu sein. Das hört sich banal an, ist aber in Wirklichkeit eine Umkehrung der Verhältnisse. Bisher konnte sich Ballack sicher sein zu spielen, weil er Kapitän war.

Diesen Automatismus gibt es nicht mehr. Joachim Löw kann jetzt vor jedem Länderspiel aufs Neue entscheiden, ob Ballack mit seinem 34 Jahren und seinem anfälligen Körper noch gut genug ist für höhere Aufgaben. Man könnte auch sagen: Das Traumschiff MS Nationalmannschaft hat ab jetzt nur noch einen Kapitän – und das ist der Bundestrainer.

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