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Kommentar: Kleines Sommerglühen

Matthias B. Krause bezweifelt, dass David Beckham dem US-Fußball hilft.

Der Knöchel. Darum spielt David Beckham schon wieder nicht. Bislang beschränkt sich der Auftritt des britischen Fußball-Messias in seinem neuen Heimatland auf 16 Minuten im Freundschaftsspiel zwischen Los Angeles Galaxy und dem FC Chelsea. Und so konzentrieren sich die amerikanischen Reporter darauf, die Einführung der Beckhams in die Hollywood-High-Society zu verfolgen. Zu erörtern sind so wichtige Fragen wie die, ob Beckhams Frau Victoria wirklich unter Zellulitis leidet.

Dem Sportfan bleibt vorerst nur ein Griff ins DVD-Regal. Dort steht seit einiger Zeit „Once in a lifetime“, die wundersame Geschichte von Aufstieg und Fall von Cosmos New York. Die Parallelen drängen sich auf: Als ein amerikanischer Filmmogul 1975 Pelé mit viel Geld überredete, seinen Abschied vom Fußball zu verschieben und für drei Jahre an die Ostküste der USA zu wechseln, ging ein ähnlicher Ruck durch die Szene. Fußball war plötzlich auch in der Neuen Welt in. 1977, auf dem Höhepunkt des Ruhms und mit Franz Beckenbauer in seinen Reihen, lockte Cosmos mehr Menschen ins Stadion als die New York Yankees. Es war ein legendärer Sommer, die Stadt schien minütlich vor der Explosion zu stehen. Als in einer Hitzewelle der Strom ausfiel, plünderte der Mob ganze Stadtviertel und lieferte sich Straßenschlachten mit der Polizei. Ein Serienkiller versetzte die New Yorker in Angst und Schrecken. Präsident Gerald Ford empfahl der bankrotten Stadt: „Drop dead!“ (Fall tot um!). Derweil feierten sie bei Cosmos die Auferstehung des Fußballs diesseits des Atlantiks – und nachts vergnügten sie sich im Studio 54.

Cosmos verglühte bald darauf wie eine Sternschnuppe am Himmel. New York selbst brauchte mehr als 20 Jahre, um aus seinem Tief zu kommen. Die Major League Soccer (MLS) stand schon vor der Ankunft Beckhams deutlich besser da als die North American Soccer League (NASL) selbst nach Pelés Erscheinen. Ob nun ein gesunder Beckham-Knöchel allein reichen wird, um dieses für die Amerikaner immer noch so fremde Spiel im Lande aufsteigen zu lassen? Noch glüht nicht einmal Los Angeles.

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