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Polizeistreife in Sotschi

© dpa

Sorge um Sicherheit in Sotschi: Kontrolle ist besser

Die Amerikaner warnen vor Sprengstoff in Zahnpastatuben und in Russland selbst gab es in den vergangenen Monaten mehrere blutige Anschläge. Wie sicher sind die Olympischen Winterspiele?

Die Spiele in Sotschi beschäftigen die globalen Sicherheitsdienste. Die jüngste Warnung soll laut amerikanischen Medien konkret für den Beginn der Winterspiele gelten. Nicht nur Flüge seien mögliche Anschlagsziele. Die per Zahnpastatube geschmuggelten Bombenbestandteile könnten demnach auch nach Sotschi gebracht werden, um einen Anschlag auf die Spiele selbst zu begehen. US-Geheimdienste vermerken den Informationen zufolge eine anschwellende Kommunikation in den überwachten terroristischen Kreisen.

Das, was die Geheimdienste hören, lässt offenbar den Rückschluss zu, dass auch Bereiche außerhalb von Sotschi, insbesondere regionale Verkehrsmittel potentielle Anschlagsziele sein könnten. Angesichts der enormen Sicherheitsvorkehrungen in Sotschi selbst gehe die größte Gefahr von Anschlägen außerhalb der Stadt aus, heißt es – wie es auch bei dem blutigen Doppelanschlag in Wolgograd vor einigen Wochen der Fall war, bei denen über 30 Menschen starben.

Derzeit wird in den USA noch die Dimension und die Glaubwürdigkeit der Bedrohung analysiert. Unter anderem stelle sich die Frage, wer in der Lage sein könnte, eine solche Bombe zu bauen, die schwer aufzuspürende Bestandteile ohne oder fast ohne Metall erfordern würde. Man nehme die Bedrohung aber ernst, sie beruhe auf glaubwürdigen Quellen.

Mindestens zwei US-Fluggesellschaften bieten Direktflüge nach Russland, ebenso die russischen Airlines. Die Warnung beziehe sich aber insbesondere auf Flüge aus Europa und Asien. Ob aufgrund der Warnung Zahnpastatuben aus dem Handgepäck gebannt werden sollen, blieb am Donnerstag offen.

In Russland dagegen wehrt man sich gegen die Warnungen des Westens. Sie seien überflüssig, erklärte Vizepremier Dmitrti Kosak, der für die Vorbereitung der Spiele zuständig ist. Es gäbe keinen Grund, von einem erhöhten Risiko in der Schwarzmeer-Stadt zu sprechen. Er, so der Politiker weiter, wolle nochmals darauf hinweisen, dass „das Sicherheitsniveau in Sotschi dem von New York, London, Washington und Boston in nichts nachsteht“. Russland vermutet einen weiteren Versuch, die Spiele politisch diskreditieren zu wollen. Man werde mit den Bedrohungen aus eigener Kraft fertig.

Gemessen an der Zahl der Einsatzkräfte gleicht Sotschi einem Hochsicherheitstrakt. Derzeit sind rund 70 000 Mitarbeiter von Polizei und Geheimdiensten im Einsatz, darunter die auf Terrorismusbekämpfung gedrillte Sondereinheit Alfa.

Auch andere Olympischen Spiele waren schon potenzielle Angriffsziele für Terroristen. Was die Situation in Sotschi speziell macht, ist die politische und geopolitische Lage. Tschetschenien liegt keine 1000 Kilometer entfernt. Seit Jahren liefert sich Russland dort mit muslimischen Extremisten einen regelrechten Krieg. Doku Umarow ist Anführer der Tschetschenischen Rebellen. Er hat 2007 ein „Emirat Kaukasus“ ausgerufen. Zu dem fiktiven islamischen Staat zählt neben Tschetschenien auch das benachbarte Dagestan. Und genau dort hat einer der mutmaßlichen Attentäter auf den Marathon in Boston im Jahr 2013 auch seine Wurzeln. Die USA stuften das „Emirat Kaukasus“ bereits 2011 als Terrororganisation mit Verbindungen zum Terrornetzwerk Al Qaida ein. Genau deshalb reagieren vor allem die USA so sensibel bei diesen Spielen. Die Rebellen haben nicht nur Russland als Gegner ausgemacht, sondern auch die USA und Israel.

Sportlern wird mit Entführung gedroht

Radikale Muslime aus der nordkaukasischen Region hatten bereits gedroht, die Spiele zu stören. Drohbriefe erhielten auch verschiedene Olympische Komitees – darunter auch das deutsche. Dem Österreichischen Team wurde darin mit der Entführung von zwei Sportlerinnen gedroht. Die deutsche Mannschaft hat zusammen mit dem Bundeskriminalamt einen Notfallplan erarbeitet für den Fall der Fälle. Das BKA hat zudem drei Leute vor Ort, die als direkte Ansprechpartner fungieren und auch Kontakt zu den unterschiedlichen Sicherheitsdiensten unterhalten. Allerdings sind Notfallpläne dieser Art nicht untypisch. Beim DOSB heißt es, dass diese nur der russischen Situation angepasst seien.

Die Russen bemühen sich, Kontrolle zu demonstrieren: Ankommende werden bereits auf dem Flughafen umfangreichen Sicherheitskontrolle unterzogen, müssen vor Betreten der Olympischen Sperrbezirke durch den Metalldetektor, Taschen und Equipment durch den Scanner. Nochmal kontrolliert wird - bereits innerhalb der Bannmeile - beim Betreten von Wettkampfstätten und dem Pressezentrum. Auch vor den Hotels und am Bahnhof wird kontrolliert. Er gehört zu den wenigen Schnittstellen zwischen olympischem und öffentlichem Nahverkehr. Kampfhubschrauber kreisen ständig über der Stadt und auf den Gleisen der Nahverkehrszüge, die die Sportstätten in der Ebene mit den Wintersportzentren in den Bergen verbinden, sind in regelmäßigen Abständen Streckenläufer mit Hunden und Minensuchgerät unterwegs, die Hotels in Rosa Chutor – Russlands Antwort auf Kitzbühel – beschäftigen auffällig viele Gärtner, obwohl in den gerade angelegten Vorgärten außer ein paar Zwergkiefern noch nichts wächst. Die „Gärtner“ gucken unter jeden Ast. Als auf der Brücke über die Msymta eine Fotografin ihr Teleobjektiv ausfährt, stieben sie in alle Himmelsrichtungen auseinander.

Die USA scheint das aber nicht direkt zu beruhigen. Sie hatten noch im Januar zwei Kriegsschiffe ins Schwarze Meer beordert. Mit an Bord gingen Mitarbeiter privater Sicherheitsfirmen, die bereits Erfahrung bei der Evakuierung von US-Bürgen in Krisengebieten haben. Sie kreuzen derzeit in internationalen Gewässern und werden die russische Küste nur nach Absprache mit Moskau anlaufen. Sie sollen im Notfall nicht nur Aktive, sondern auch US-Fans aus der Gefahrenzone bringen.

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