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Sport: Kopf frei!

Bobic trifft wieder, Marcelinho ist ohne Gips – Hertha BSC geht entspannter und mit neuem Mut in das Hannover-Spiel

Von André Görke

und Klaus Rocca

Berlin. Es ist früh am Morgen, kurz nach halb zehn, Marcelinho steigt in T-Shirt und knapper Sporthose aus seinem Mercedes. In der Biberburg, dem Reha-Zentrum am westlichen Stadtrand, soll an diesem Morgen sein Gips entfernt werden. Der Spielmacher von Hertha BSC humpelt, der linke Fuß hängt in der Luft, der Brasilianer geht auf Krücken. Dreieinhalb Stunden später wird er die Biberburg wieder verlassen. Auf Krücken. Aber ohne Gips.

Marcelinhos Akt der Befreiung an diesem Freitagmorgen bildet das vorläufige Ende einer angenehmen Arbeitswoche. Ein kurzer Blick genügt: In den ersten vier Saisonspielen hat Hertha nicht gewonnen und noch nicht einmal ein Tor erzielt. Die Euphorie um den Klub ist verschwunden. Kurzum: Die Saison hätte nicht schlechter beginnen können.

Heute nun spielt Hertha gegen Hannover. Drei Wochen sind seit dem letzten Bundesligaspiel in Frankfurt vergangen. Die Saison beginnt heute zwar nicht von vorn, aber Hertha kann zumindest einen zweiten Anlauf wagen. Mehrere Gründe sprechen dafür. „Die Spieler haben endlich mal ihre Köpfe frei bekommen“, sagt Manager Dieter Hoeneß. Viele waren in den vergangenen Tagen mit den Nationalmannschaften ihrer Heimatländer unterwegs. Sie konnten dort über andere Dinge reden als den verpatzten Saisonstart in Berlin. So etwas lenkt ab, deshalb hielt sich auch der Ärger von Trainer Stevens Anfang der Woche in Grenzen, als nur sieben Profis auf dem Trainingsplatz standen und er mit den Amateuren üben musste, damit überhaupt ein Spiel zustande kam.

Doch die Woche wurde noch besser. Das Gesprächsthema Hertha verschwand spätestens am vergangenen Wochenende völlig aus den Köpfen, als sich die deutsche Nationalmannschaft erst auf Island blamierte und anschließend Teamchef Rudi Völler vor laufender Kamera ausrastete. Als sich dann die Nationalmannschaft am Mittwoch gegen die Schotten rehabilitierte, spielte ein Herthaner auch noch eine wichtige Rolle: Fredi Bobic. Herthas neuer Stürmer traf ins Tor, und er holte den Elfmeter heraus, der zum 2:0 führte. Wie Bobic anschließend jubelte, so aggressiv, so emotional, verdeutlichte die Anspannung, unter der der Stürmer stand. In Berlin wartet Hertha seit 360 Minuten auf einen Torerfolg.

Vielleicht kann Bobic das Selbstvertrauen in die Bundesliga hinüberretten. Beim ersten Saisonstart ist ihm das nicht gelungen. Motivieren dürfte ihn zumal, dass Hertha heute gegen seinen ehemaligen Verein spielt.

Also, was ist das, was in den letzten Tagen entstanden ist? Euphorie? Eher nicht. Es ist Entspannung. Der Druck auf Hertha ist immer noch hoch, die Mannschaft muss gegen Hannover ein Tor erzielen, und sie muss gewinnen. Aber Manager Hoeneß betont auch: „Es wäre jetzt völlig falsch, wieder großen Druck auszuüben. Die Mannschaft soll wissen: Wir stehen bedingungslos hinter ihr.“

Die Mannschaft, nicht nur Bobic, müsste motiviert sein. Artur Wichniarek zum Beispiel. Auch für ihn ist es der zweite Anlauf. Er sah gleich im zweiten Spiel in Stuttgart die Rote Karte und darf gegen Hannover erstmals wieder auflaufen. Oder Niko Kovac. Der schoss im Länderspiel für die Kroaten immerhin ein Tor. Und Luizao, der so lange verletzt war, hat sich gerade erst fit gemeldet. Das sind diese kleine Dinge, die hoffen lassen. Den letzten Akt setzte gestern Marcelinho. Er hatte sich am ersten Spieltag den Fuß gebrochen. Nach 44 Minuten.

Marcelinhos Muskulatur muss jetzt aufgebaut werden, das kann sechs Wochen dauern. Aber es geht voran bei Hertha, die Stimmung ist gelöster, fast ein wenig wie vor dem Saisonstart.

Es darf nur nichts schiefgehen. Heute.

André Görke, Klaus Rocca

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