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Sport: Kopf schlägt Körper

erklärt den Mentalitätswandel im deutschen Sport Viele Sportjahrzehnte kämpfte das Mentale verzweifelt um öffentliche Anerkennung. Besonders im Fußball besaß es einen üblen Ruf.

erklärt den Mentalitätswandel im deutschen Sport Viele Sportjahrzehnte kämpfte das Mentale verzweifelt um öffentliche Anerkennung. Besonders im Fußball besaß es einen üblen Ruf. Es klang nach „denken“. Und wer zu viel nachdenkt, bekommt zwangsläufig Probleme, mentale Probleme. Heute wird es niemand mehr wagen, mit dem Mentalen zu scherzen. Nicht Trainer, nicht Spieler, nicht Journalisten. Während über „Verhärtungen im muskulären Bereich“ weiterhin jeder Witz erlaubt bleibt, herrscht bei „Problemen im mentalen Bereich“ heilige Stille. Das ist ernst, das ist wichtig, da geht es um Sieg oder Niederlage, gar um Leben oder Tod.

Tatsächlich ist die öffentliche Sensibilisierung für den Wert des Mentalen die größte sportkulturelle Errungenschaft des vergangenen Jahres. Die langwierigen Fälle Deisler und Hannawald haben nicht nur das Bewusstsein für die dunkle Komplexität des Mentalen geschärft, sondern auch als heilsame medizinische Volksaufklärung gewirkt. Heute weiß jeder Zwölfjährige, dass Depression eine behandelbare Krankheit ist, auch Männer an Magersucht leiden und dass ein Erschöpfungssyndrom nicht nur ein körperliches Problem ist.

Seinen endgültigen Durchbruch erfuhr das Mentale in diesem Herbst in der Mannschaft aller Mannschaften. Die deutschen Fußball-Nationalspieler bekamen erstmals und hochoffiziell einen Mentaltrainer zugeordnet, wie das gesamte Erfolgskonzept des neuen Trainergespanns auf einer verstärkten „Arbeit im mentalen Bereich“ basiert. Und siehe da, es gelang. Der Schalter in den Köpfen wurde erfolgreich umgelegt. Dieser Mut zeitigte Wirkung. Wo Bundesligavereine noch vor Monaten ein Geheimnis aus ihrer Zusammenarbeit mit Sportpsychologen gemacht haben, gilt dies mittlerweile als unentbehrlicher Bereich professioneller Betreuung.

Fast hat man das Gefühl, dem Mentalen werde für die deutsche Zukunft ein wenig zu viel zugemutet, als sei etwa das Unternehmen Weltmeisterschaft 2006 vor allem eine Frage der richtigen Einstellung. Es wäre schön zu glauben, gerade die größten Wettkämpfe würden letztlich „nur im Kopf entschieden“. Wäre es so, hätten wir eine realistische Titelchance. Leider aber ist das bestenfalls die halbe Wahrheit. Die andere Hälfte liegt nach wie vor auf dem Platz. Wer das verdrängt, leidet unter Realitätsverlust.

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