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Nicht auf den Mund gefallen. Joseph Blatter, 76, Fifa-Präsident seit 14 Jahren.

© dapd

Korruption in der Fifa: Reformen, die keine sind

In dieser Woche wurden der größten Sportorganisation der Welt Schmiergeldzahlungen in Höhe von mehr als 100 Millionen Euro nachgewiesen. Trotzdem macht die Fifa unter Joseph Blatter weiter wie bisher. Eine Analyse.

Beim Fußball tritt man den Ball mit dem Fuß. Doch dort, wo der Fußball organisiert wird, tritt man lieber seine eigenen Worte mit Füßen. Hören wir einmal kurz Joseph S. Blatter zu, dem betagten Alleinherrscher des Fußball-Weltverbandes Fifa. Er sagt: „Neben den zahlreichen Aktivitäten unserer Organisation, die rund um die Welt Wettbewerbe auf höchstem Niveau organisiert, das Spiel fördert und für eine bessere Zukunft arbeitet, hat die Fifa die Verantwortung, gemäß den Prinzipien der verantwortungsvollen Führung zu handeln und für Transparenz zu sorgen.“ Und weiter geht’s: „Es darf keinerlei Toleranz gegenüber Verfehlungen jeglicher Art geben. Wir wissen, dass in der Vergangenheit Fehler begangen wurden und dass diese behoben werden müssen.“ Das hat Blatter vor einem halben Jahr auf einer Fifa-Tagung gesagt, das sagt der trotz seiner 76 Jahre gerade wiedergewählte Fifa-Präsident immer wieder gern. Nur dran halten möchte sich Blatter nicht. Sonst müsste er jetzt wohl zurücktreten.

In dieser Woche ist öffentlich geworden, was die Fifa stets abgestritten hat und was doch jeder über sie zu wissen glaubte: Schweizer Korruptionsermittler wiesen der größten Sportorganisation der Welt Schmiergeldzahlungen in Höhe von mehr als 100 Millionen Euro durch den inzwischen pleitegegangenen Fifa- Vermarkter ISL nach. Demnach erhielten der frühere Fifa-Präsident João Havelange und Brasiliens langjähriger Fußballpatriarch Ricardo Teixeira (Havelanges früherer Schwiegersohn) in den Neunzigerjahren mehrere Millionen Euro, um die Vermarktungsrechte für Fußball-Weltmeisterschaften auch wirklich an die ISL zu vergeben. Blatter tat den Vorgang nun umgehend als Kavaliersdelikt ab; schließlich seien „Provisionszahlungen“ damals von der Steuer absetzbar gewesen. „Ich kann also nicht von einem Delikt gewusst haben, welches keines war“, folgerte Blatter. Verantwortungsvolle Führung? Transparenz? Keinerlei Toleranz gegenüber Verfehlungen? Worte, die nicht mehr gelten. Galten sie jemals?

Das Echo ist verheerend, öffentlich nachzulesen in der internationalen Presse, hinter vorgehaltenen Händen zu hören sogar im Internationalen Olympischen Komitee, in dem Blatter noch Mitglied ist. Auch im deutschen Fußball regt sich Protest: Fifa-Exekutivmitglied Theo Zwanziger fordert die Einberufung eines Fifa-Kongresses, um zumindest Havelange die Ehrenpräsidentschaft abzuerkennen; DFB-Präsident Wolfgang Niersbach zeigt sich geschockt und Bundesliga-Chef Reinhard Rauball plädiert für einen Neuanfang ohne Blatter. Aber diese Forderungen dürften am Schweizer Patriarchen abtropfen wie der Regen an der Stahlfassade des hochherrschaftlichen Fifa-Gebäudes in Zürich. Für Blatter, der immer bestritten hat, selbst Geld angenommen zu haben, sind die ständig wiederkehrenden Schmiergeldskandale der Fifa nur Mittel zur eigenen Machtsicherung. Letztes Jahr kantete er mittels bewiesener Handgelder seinen Gegenkandidaten Mohamed bin Hammam aus dem Wahlkampf ums Präsidentenamt. Hernach gab er wieder den Reformer.

Doch die angeblichen Reformen der Fifa, die den laxen Umgang mit Missständen nur bemänteln, sind der eigentliche Skandal im fortwährenden Skandal. Jahrelang gab es eine Ethikkommission, die die Fifa-Exekutive kontrollieren sollte, aber aus Mitgliedern dieser Exekutive bestand. Inzwischen, nach einem von Blatter als Revolution verkauften Reförmchen, darf die Fifa-Exekutive ihre Kontrolleure nicht mehr selbst stellen, aber doch selbst bestimmen. Die nächste Volte war die Einberufung einer externen Kommission unter Leitung des Schweizer Strafrechtlers Mark Pieth. Aber auch der scheint sich mit den Gegebenheiten arrangiert zu haben, denn seine Reaktion auf die neuerlichen Enthüllungen fällt so aus: „Im Führungszirkel der Fifa fällt mir im Moment keiner ein, der eine bessere Alternative zu Joseph Blatter wäre.“

Am Dienstag treffen sie sich in Zürich wieder, die hohen Herren des Fußballs. Die Fifa-Exekutive will erneut neue Ethikregeln absegnen. Es werden dann sicher salbungsvolle Worte gesprochen. Und gleichzeitig mit Füßen getreten.

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