zum Hauptinhalt
Nuri Sahin entschied sich für die Türkei.

© dpa

Länderspiel gegen Deutschland: Vergleich zweier Karrieren: Nuri Sahin

Am Freitag treffen die beiden Freunde Mesut Özil und Nuri Sahin in der EM-Qualifikation in Berlin aufeinander. Die Söhne türkischer Eltern spielen beide herausragenden Fußball. Im Gegensatz zu Özil entschied sich Nuri Sahin für die türkische Nationalmannschaft.

Es gibt im Internet ein wunderbares Video, das zeigt, wo Nuri Sahin seine schönste Zeit als Kind verbracht hat: auf einem mit Gras bewachsenen Hügel im Sauerlandstädtchen Meinerzhagen. Rauf und runter, immer mit dem Ball am Fuß. Auf solch schwierigem Geläuf hat der junge Nuri stundenlang mit seinen Freunden gespielt.

Der Hügel von Meinerzhagen ist ein schönes Bild für Sahins Werdegang. Es ist oft nach oben gegangen, doch es gab auch Zeiten, in denen der Ball nach unten gerollt ist. Einst galt dieser Junge als Wunderkind, Arsenals Trainer Arsène Wenger adelte Sahin als das „momentan weltweit größte Talent. Das war vor sechs Jahren, Sahin war 16 und hatte bei der U-17-EM mit der Türkei den Titel geholt. Es war der Beginn eines steilen Aufstiegs, gesäumt von Superlativen: jüngster Spieler und jüngster Torschütze der Bundesliga. Die gleichen Marken setzte Sahin in der türkischen Nationalmannschaft. Gleich bei seinem ersten Einsatz schoss er den Ball an Oliver Kahn vorbei ins Netz.

Zu diesem Zeitpunkt hatte der FC Arsenal in Dortmund bereits ein Angebot über drei Millionen Euro für den Teenager abgegeben, es hieß, Chelsea habe den Betrag verdoppelt. Das alles strömte auf einen Jungen ein, der eigentlich nur spielen wollte. Doch so einfach war es nicht. Sein Verein befand sich nach der existenzbedrohenden Finanzkrise noch längst nicht in Sicherheit, die Hoffnung auf die Zukunft trug den Namen Sahin. „Mit 16 sollte ich Borussia Dortmund retten“, sagt Sahin. „Das muss man sich mal vorstellen.“ Ein zu großer Rucksack für einen, der sich mitten in der Pubertät befindet. „Mir hat die Zeit gefehlt, das alles zu genießen.“

Sahins Entwicklung stagnierte, unter Thomas Doll musste er beim BVB die Degradierung zum Ersatzspieler erleiden. Mit 18 wurde er an Feyenoord Rotterdam ausgeliehen, wo ihn sein Entdecker Bert van Marwijk erneut unter die Fittiche nahm. Was Sahin als Niederlage empfand, erwies sich als Segen. Er holte mit Feyenoord den Pokal, vor allem aber reifte er fern der Familie. „Der kleine Knick in der Karriere hat mich weit gebracht“, sagt Sahin heute. „Ich bin als Jugendspieler gegangen und als Mann zurückgekommen.“

Jetzt, in der zweiten Phase seiner Karriere, blickt Sahin auf den turbulenten Anfang zurück wie ein Routinier. All die Rekorde, sagt er, habe er hinter sich gelassen. „Irgendwann, nach meiner Karriere, kann ich das meinen Kindern erzählen.“ Mehr als 100 Bundesligaspiele hat Sahin bestritten, dabei ist er erst 22. Der nächste Schritt muss nun auf internationaler Bühne folgen. Mit dem BVB bietet sich die Europa League an, doch entscheidender ist sein Werdegang in der Nationalmannschaft. Zuletzt hat ihn Nationaltrainer Guus Hiddink nicht einmal in den Kader berufen, was in Dortmund einiges Befremden auslöste. Schließlich besticht der Stratege in der Liga Woche für Woche. BVB-Trainer Jürgen Klopp bot an, Hiddink eine DVD mit den Darbietungen seines Musterschülers zur Verfügung zu stellen.

Dass Sahin im roten Trikot mit dem Halbmond aufläuft und nicht im weißen mit dem Adler, ist schön für die Türkei und schade für Deutschland. Schließlich ist Sahin in Lüdenscheid geboren, Fußballspielen hat er beim Rasensportverein Meinerzhagen gelernt. Er hat sich bewusst für das Land seiner Eltern entschieden, „meine deutsche Seite decke ich bei Borussia Dortmund ab, meine türkische bei der Nationalmannschaft.“ Dabei wäre Sahin durchaus ein Kandidat für Joachim Löw gewesen – zumal er den deutschen Spähern früher aufgefallen war als den türkischen. Sein Vater Savas Sahin erinnert sich an diverse Trainingsmaßnahmen in der Sportschule Kaiserau, „doch danach haben wir vom DFB nichts mehr gehört.“ Die Türken waren da wesentlich aktiver. Sie luden Sahin zu Sichtungslehrgängen ein – und erhielten den Zuschlag. „Die haben damals mächtig Druck gemacht und ihn so überzeugt“, berichtet Savas Sahin. „Wären die Deutschen hartnäckiger gewesen, würde Nuri jetzt für Deutschland spielen.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false