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Ein Gesicht, das Bände spricht.

© dpa

Tour de France: Lance Armstrong: Ein Monument zerfällt

Lance Armstrong fährt bei der Tour de France nur noch hinterher. Auf der ersten Bergetappe verliert der siebenfache Sieger fast zwölf Minuten. Das Rennen will er trotzdem zu Ende fahren, es ist schließlich sein letztes in Europa.

Eine Ära ist beendet. Mit dem herben Rückstand von knapp zwölf Minuten auf der ersten Bergetappe der Tour de France leitete Lance Armstrong seinen Ausstieg aus dem aktiven Rennbetrieb ein. Seine Zeit ist abgelaufen. Er wird die Tour de France kein achtes Mal gewinnen. „Das Ende und der Anfang“ überschrieb die „L'Equipe“ ihren Nachruf auf den Amerikaner. Denn dessen Platz nehmen jetzt andere ein. Das Spektakel geht weiter.

Am ersten Tag der neuen Epoche brannte die Sonne wie gewohnt auf die französischen Alpen herunter. Der Asphalt kochte. Hunderte Freizeitfahrer nahmen die Gelegenheit wahr, am Ruhetag ihre Idole auf deren Trainingsausfahrt zu begleiten. Sogar ein Mann im Astana-Trikot hatte sich in den Pulk der Radioshack-Fahrer um Lance Armstrong gezwängt. Der alte Patron duldete dies.

Gelassenheit herrschte in seinem Umfeld. Die Radioshack-Mechaniker werkelten vor dem Hotel Le Cret in Morzine mit nacktem Oberkörper an den Rennmaschinen. Scherzworte flogen hin und her. Armstrong selbst schien die erste französische Nacht seit elf Jahren, die er nicht als potenzieller Tourgewinner verbrachte, gut überstanden zu haben. Er spürt zwar die Fleischwunden auf der linken Seite, die er beim Sturz an einer Kreisverkehrsinsel erlitten hat. Er hielt sich auf der Trainingsfahrt aber meist in der vorderen Gruppe des Teams auf.

Im Rennen ist dies nicht mehr die Regel. Zweimal wurde Armstrong bei dieser Tour de France abgehängt. Auf der Kopfsteinpflasteretappe nach Arenberg verlor er 2:08 Minuten, bei der ersten Alpenetappe nach Morzine 11:45 Minuten. Zwar waren in Arenberg ein Sturz und ein Defekt und nach Morzine zwei Stürze und eine Querfeldeinfahrt im Spiel, die den Amerikaner ausbremsten. Aber eine alte Radsportregel besagt: Wer gut in Form ist, fällt selten. Spektakulär ist Armstrongs Einbruch auf der achten Etappe vor allem deshalb, weil er die erste Bergetappe der Tour traditionell zur Demonstration seiner Stärke nutzte. Er deklassierte das Feld und machte seine Konkurrenten zu mutlosen Verfolgern.

Dieses Mal haben sich die Verhältnisse umgekehrt. Ein knappes Dutzend Fahrer blieb in der Spitzengruppe, Armstrong aber gab schon am vorletzten Berg auf. „Hier hat er die Hände gehoben. Es ging nichts mehr“, sagte sein Teamchef und Wegbegleiter Johan Bruyneel. Armstrong ist sich des historischen Moments bewusst. Er gratulierte seinem Nachfolgern Cadel Evans und Andy Schleck zur gezeigten Performance. Ex-Teamkollege Alberto Contador befand sich nicht unter den Empfängern solcher Botschaften. Das zeigt, dass der Amerikaner selbst noch im Moment des Abtretens nachtragend sein kann.

Immerhin gestand der Texaner ein: „Die Tour ist jetzt für mich zu Ende. Ich werde noch zwei schöne Wochen in Frankreich verbringen. Das ist mein letztes Rennen in Europa.“ Auf seiner Abschiedstour durch Frankreich will er aber noch Akzente setzen. „Lance wird ein Faktor in diesem Rennen sein. Er kann es nicht mehr gewinnen. Aber das Klassement ist noch nicht geschrieben“, sagte Bruyneel.

Das sportliche Halali des dominierenden Fahrers des vergangenen Jahrzehnts auf europäischen Straßen wird von juristischen Jagdhornklängen jenseits des Atlantiks begleitet. Ermittler Jeff Novitzky, der schon die Machenschaften des Dopinglabors Balco aufdeckte, heftet sich nach den Anschuldigen von Floyd Landis an Armstrongs Fersen. Wie das „Wall Street Journal“ berichtete, hat er bereits mit Armstrongs früherem Teamkollegen Tyler Hamilton gesprochen und wartet darauf, dass der jetzige BMC-Fahrer George Hincapie nach der Tour de France wieder in der alten Heimat ankommt. Die Ermittlungen sind brisant, weil es darum geht, ob Steuergelder in betrügerischer Absicht eingesetzt wurden. Der frühere Teamsponsor US Postal ist eine Behörde.

Gut möglich, dass sich Armstrongs Unfähigkeit zum rechtzeitigen Abschied noch als Bumerang erweist. Wäre er im vergangenen Jahr nicht zurückgekehrt, hätte Landis wenig Anlass gehabt, an die Öffentlichkeit zu treten. Wie tief das Monument Armstrong noch fallen kann, ist derzeit nicht zu ermessen.

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