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Belastendes am laufenden Meter. Im Prozess gegen vier Angeklagte geht es zunächst um 32 verschobene Spiele.

© dpa

Landgericht Bochum: Wettskandal: Verlieren mit Gewinn

Vor Gericht müssen sich vier Angeklagte verantworten - sie sollen Zweitligapartien in Deutschland und in der Schweiz sowie Spiele der U 19 und Oberligaspiele manipuliert haben. Zum Prozessauftakt im Fußball-Wettskandal werden Details der Betrügereien bekannt.

Es ist der 32. Spieltag der Saison 2008/2009, der VfL Osnabrück kämpft noch um den Verbleib in der Zweiten Liga. Als nächstes muss der Klub zum Aufstiegsaspirant 1. FC Nürnberg. Wenn schon verlieren, dann wenigstens mit Gewinn, scheinen sich die beiden Osnabrücker Spieler Thomas Cichon und Marcel Schuon zu denken und lassen sich womöglich auf ein kriminelles Geschäft ein. Osnabrück soll mit zwei Toren Unterschied verlieren – so soll es mit ihren Auftraggebern abgemacht gewesen sein. Cichon soll dafür 5000 Euro, Schuon 25 000 bekommen haben, die er allerdings vorher als Wettschulden angehäuft hatte. Nürnberg gewinnt 2:0 – und einige Hintermänner machen letztlich 17 000 Euro Gewinn mit dem Spiel.

Länger als eine Stunde hat es am Mittwoch gedauert, bis Staatsanwalt Andreas Bachmann die Geschichte von 32 unterwanderten Fußballspielen vorgelesen hatte. Seine Anklageschrift handelt von einer Bande, die in mehreren Ländern Europas Fußballer, Schiedsrichter, Funktionäre zum Manipulieren von insgesamt 270 Spielen angestiftet und damit mehrere Millionen Euro Gewinn erwirtschaftet hat. 90 Beschuldigte hat die Staatsanwaltschaft Bochum ermittelt und beim ersten Prozess müssen sich seit Mittwoch zunächst vier Angeklagte verantworten.

Es sind Angeklagte der mittleren Ebene. Nicht so einflussreich wie die drei Köpfe der Bande, zu denen auch der Berliner Ante Sapina gehört, der schon im ersten Wettskandal um den Schiedsrichter Robert Hoyzer der Drahtzieher war. Aber immer noch einflussreich genug, um selber Spieler auf ihre Seite zu ziehen und über Mittelsmänner in verschiedenen Wettbüros hohe Summen zu setzen.

Ihnen drohen nun Haftstrafen zwischen einem und zehn Jahren wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs. Einer von ihnen, der im niedersächsischen Lohne wohnende Türke Nürettin G., hat schon umfassend ausgesagt, auch zu Manipulationen in der Türkei – 70 Festnahmen dort waren die Folge.

In Nordwestdeutschland betrieb er mehrere Wettbüros. „Früher oder später war klar, dass alle etwas erzählen werden, da ist es gut, der Erste zu sein“, sagte sein Rechtsanwalt Jens Meggers. Sein Mandant sei daher eine Art Kronzeuge, „dafür gibt es bestimmt bei der Strafe Rabatt“. Angestachelt worden sei er auch dadurch, dass ihm der Mitangeklagte Tuna A., ein Türke, der in Mönchengladbach lebt, 300 000 Euro geschuldet habe. Doch als A. nach ihm den Gerichtssaal betritt, schüttelt er ihm erst einmal freundlich die Hand. Auch A. hat inzwischen bei den Vernehmungen ausgesagt.

Aufgeflogen war der Betrug durch eine Telefonüberwachung der Staatsanwaltschaft im Drogenmilieu, erst so stieß sie auf manipulierte Fußballspiele. Wer zur Bande gehören wollte, musste sich auch an den Bestechungskosten beteiligen. Die Köpfe der Bande teilten sich Europa nach regionalen Zuständigkeiten auf. Beim Wetten wählten sie alle nur möglichen Wege, Einsätze in kleineren Wettbüros, bei Buchmachern in Österreich oder England, bei den großen Wettanbietern auf den Philippinen, sie wetteten an Automaten, über Internet, Telefon, über Mittelsmänner – und selbst beim seriösen staatlichen Anbieter Oddset. Ein Schiedsrichter erhielt für seine Mithilfe beim U-21-Länderspiel zwischen der Schweiz und Georgien 60 000 Euro – die höchste in der Anklage genannte Bestechungssumme. Und der höchste Gewinn waren 209 000 Euro durch die Manipulation eines Schiedsrichters beim Europa-League-Spiel zwischen dem FC Basel und ZSKA Sofia.

Bisweilen setzten sie sich auch auf die Tribünen von Stadien, um die Manipulation direkt zu beeinflussen. „Da ging es um Handzeichen wie drei Tore oder vier Tore, aber auch mal um einen Abbruch der Manipulation, weil niemand die Wette angenommen hatte“, sagte Staatsanwalt Bachmann. Er war im Gegensatz zu manchem Verteidiger nicht überrascht davon, wie leicht sich Spieler zur Manipulation verführen ließen. „In Belgien etwa gab es bei den betreffenden Spielern ein Gehaltsniveau von 1500 bis 2500 Euro. Da sind 3000 Euro viel Geld.“ In Belgien übernahmen die Hintermänner der Bande sogar die Schulden eines Zweitligavereins, um die Spieler anschließend für Manipulationen in der Hand zu haben. Druck auf die Spieler sei kaum aufgebaut worden, sagte der Staatsanwalt. „Es ging eher um den Aufbau von freundschaftlichen Kontakten.“ Die Spieler seien dann auch nicht nur für eine Begegnung angeworben worden, sondern gleich für eine ganze Betrugsserie.

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